Japan Pilgerreise

Japan – Insel Shikoku – Reisebericht Teil XV

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Ich pilgere zu den nächsten Tempeln.

Bereits am nächsten Morgen bin ich gleich früh wieder auf Tempeltour gegangen. Zuerst ging es mit dem Bus und dann 20 Minuten zu Fuß zum Tempel 44. Dort habe ich mir alles ganz in Ruhe angesehen und meine Gebete verrichtet. Zurück an der Bushaltestelle entdeckte ich ein überdachtes Wartehäuschen (ohne Wände) in dem 2 Männer schliefen. Da ich nicht stören wollte, setzte ich mich an den Straßenrand.

Die Zeit der geplanten Busankunft verstrich, ohne dass der Bus kam. Ich blieb relativ ruhig, auch wenn ich einen strengen Zeitplan für diesen Tag hatte. Nach einer ¼ Stunde war ich mir sicher, dass jetzt kein Bus mehr kommen konnte. In Japan fahren Busse und Züge fast auf die Sekunde genau. Ich vermutete, dass der Fahrplan sich geändert haben musste. Um irgendwie vorwärts zu kommen, versuchte ich ein Auto anzuhalten. Auch das war erfolglos. Ich grübelte und grübelte, wie ich denn jetzt nur weiter machen sollte – da kam glücklicherweise noch der Bus…

Zum Tempel 45 müssen alle Pilger zwingend vom Parkplatz etwa 20 Minuten bergauf laufen.

Während dies für mich kein Problem war, überlegte ich, ob wirklich alle Pilger diesen bergigen Tempel besuchen? Für einen der nicht trainiert war, waren die ganzen Treppen schon ziemlich anstrengend. Oben angekommen wurde ich mit einem traumhaften Ausblick belohnt. Der Tempel liegt zwischen Felsen. Früher sollen Asketen über Leitern in Felslöcher geklettert sein und dort über längere Zeit gelebt haben. Die Leitern habe ich gesehen. Da sie aber morsch waren, wollte ich besser nicht in die Felslöcher klettern.

Als ich wieder an der Bushaltestelle ankam, traf ich meinen zweiten Fahrradpilger während dieser Reise. Diesmal war es ein junger Japaner. Ich hatte mir gerade ein Eis gekauft in einem Laden direkt an der Bushaltestelle. Wir schwatzten kurz, dann lies er sein Rad am Laden stehen und kletterte zum Tempel hinauf.

Ich glaube, kaum ein Europäer hätte ein Eis aus der dortigen Kühltruhe gegessen. Man sah, dass das gesamte Gefriergut zwischenzeitlich geschmolzen war. Auch die Temperatur in den Kühltruhen hätte ich als zu warm bezeichnet. Dennoch machte ich mir keine Sorgen. Ich habe während meines Aufenthaltes in Japan nie Probleme mit dem Magen gehabt.

Ich begegnete zwei japanischen Fußpilgern.

Da es mit Regnen anfing, wollte ich mich in der Bushaltestelle unterstellen, wo bereits eine ältere japanische Pilgerin (vielleicht so um die 60 Jahre) wartete. Ihre Kleidung war so grau wie die meine – also eine Fußpilgerin. Sie roch sehr streng und ich vermutete, dass sie schon lange keine Waschgelegenheit gefunden hat. Möglicherweise ging es ihr genauso, wie mir in der ersten Woche.

Später traf ich noch einen anderen älteren japanischen Pilger (vielleicht 60 – 70 Jahre). Auch seine Kleidung war grau, fast schwarz, er stank und seine Arme waren verkohlt von der Sonne. Dazu trug er einen Riesenrucksack. Er stand am Straßenrand und bettelte. Mir schien es, als wäre er in der Trance. Als ich ihn ansprach, reagierte er überhaupt nicht mehr.

Das war der Zeitpunkt, an dem ich mich fragte, was bedeutet eigentlich wirklich pilgern?

Da gab es die sauberen Auto- und Buspilger auf der einen Seite, bei denen man am Tempel 88 noch die Bügelfalten in der Bekleidung erkennen konnte. Und dann gab es Fußpilger wie Moto und diese Beiden.

Ich fragte mich, welche Pilger sind die „Erfolgreichsten“? Welche Pilger nehmen die meisten Erkenntnisse von ihrer Reise mit? Aus welchem Gründen entscheiden sich die Menschen überhaupt, diesen beschwerlichen Weg auf sich zu nehmen?

Was ist gescheiter, den Pilgerweg bequem in einem klimatisierten Auto abzufahren? Oder müssen wir bis an unsere absolute Leistungsgrenze gehen? Ist es die übermenschliche Anstrengung, die den Erfolg des Pilgerns garantiert. Sollte man bis an seine Grenzen gehen, wo es eigentlich nur noch ums Überleben geht? Oder ist der Sinn ausschließlich der Besuch der Tempel, egal ob man es zu Fuß oder mit dem Auto macht?

Und dann gibt es noch die Pilger, welche vor Erreichen des Zieles, dem Tempel 88, aufgeben müssen. So wie Luci (22 Jahre, Rucksack 20 kg) aus Frankreich – ich lernte sie in Kochi kennen. Sie weinte, als sie mir erzählte, dass sie bereits am 6. Tempel aufgeben musste. Das Klima und der schwere Rucksack zwangen sie dazu…

Wikipedia – Pilger:

“Ein Pilger ist ein Fremdling, der aus religiösen Gründen in die Fremde zu Fuß oder mit einem Verkehrsmittel geht.  Der Anlass kann eine auferlegte Buße sein und das Bemühen, einen Sündenablass zu erhalten. Aber auch die Erfüllung eines Gelübdes, die Hoffnung auf Gebetserhörung in einem bestimmten Anliegen bewegen die Menschen zu pilgern. Andere Pilger hoffen auf Heilung von einer Krankheit, suchen die religiöse Vertiefung oder wollen sich für etwas bedanken. ”

Ich denke, auch beim Pilgern sollte jeder Mensch für sich entscheiden, wie weit er sich darauf einlässt. Da es aus meiner Sicht kein „entweder oder“ gibt, versuchte ich für mich einen Mittelweg zu finden. So pilgerte ich entsprechend meinen Fähigkeiten und den klimatischen Bedingungen.
  
Mit dem Bus fuhr ich an diesem Tag noch in Richtung Tempel 46, der sich fast an der Bushaltestelle befand und lief von dort den einen Kilometer zu Fuß zum Tempel 47. Um zur Bushaltestelle nach Matsuyama zu gelangen, musste ich zwar mal wieder nach dem Weg fragen. Dennoch schrieb ich abends stolz in mein Tagebuch: MEIN PLAN HAT FUNKTIONIERT!

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Tempel 46
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Tempel 47

Die Australierin wirkte sehr unglücklich auf mich.

Im Bus sah ich eine Nichtjapanerin. Da es auf Shikoku nur sehr wenige Nichtjapaner gibt, kommt man sehr schnell miteinander ins Gespräch. Das Mädchen kam aus Australien und wollte ein Jahr lang Englisch an Schulen in Matsuyama lehren. Den Japanern war es schon bewusst, dass sie ihre Englischkenntnisse verbessern mussten. Daher luden sie Muttersprachler ein, in ihrem Land zu leben.

Auch wenn das Mädchen besser als ich japanisch sprach, war sie unglücklich. Ihr fehlten ihre Freunde, ihre Sprache und ihr food…. Und sie wollte einfach nur nach Hause.

Wieder konnte ich nicht meine innere Ruhe finden, solange ich nicht alle hiesigen Tempel besucht habe. So pilgerte ich auch am nächsten Morgen los. Es stand zuerst der Tempel 48 auf meinem Plan. Weiter ging es zu Fuß 8 km zu den Tempeln 49, 50 und 51. Es war das erste Mal, dass ich alles ganz gemütlich gemacht habe. Ohne Probleme fand ich mit Hilfe meines „88 Route Guide“ den Pilgerweg und bei den Tempeln machte ich lange Pausen, um mir die Anlagen anzusehen und die besondere Atmosphäre zu spüren. Das empfand ich als wesentlich angenehmer als die bisherige Hetzjagd, der ich mich selbst ausgesetzt hatte.

Ich befand mich in der Präfektur Ehime – dem Platz der Erleuchtung – fing ich an, das zu spüren?

War ich endlich wieder in der Lage mich am Hier und Jetzt und an der Schönheit der Tempelanlagen zu erfreuen?

Abends lag mir der Kontakt mit der Heimat am meisten am Herzen. Und ich machte neue Pläne. Wie kann ich es schaffen auch zu den nächsten Tempeln zu pilgern? Wo gibt es auf meinem Weg noch andere Youth Hostels?

Im Youth Hostel in Matsuyama hätte ich auch mit Abendbrot essen können, aber irgendwie fühlte ich mich hier nicht wirklich wohl. Ein Mann und eine Frau betrieben den Speiseraum. Die Kleidung war recht schmuddelig und sie zogen immer ein sehr ernstes, ja fast griesgrämiges Gesicht.

Am ersten Abend aß ich noch mit, ich war es ja aus Kochi gewöhnt. Ich bekam ein Töpfchen mit Gemüse zum selbst grillen und eine kleine Brutzelpfanne auf den Platz gestellt. Es war zwar alles in Ordnung, doch fehlte einfach die Wohlfühlatmosphäre. Da „gleich um die Ecke“ ein Supermarkt war, kaufte ich mir in den nächsten Tagen Fertignahrung und verzehrte sie gemütlich in meinem Zimmer. Wenn man denn Supermärkte findet, ist dies auch kein Problem. Es gibt überall abgepackten Reis, Salate, frittiertes Gemüse. Ich hatte wesentlich mehr Auswahl. Und das Essen war meiner Meinung nach auch gesünder als in Deutschland.

Cockroach – Kakerlaken

Einmal sah ich ein Tierchen in meinem Zimmer an der Fensterwand entlang kriechen. Oh Schreck was war das? Ich verließ mein Zimmer, um Hilfe zu holen. Auf dem Balkon des Hauses traf ich zwei Australier. Die Frau kam sofort mit mir, um mir zu helfen. Sie fragte mich, ob dies eine cockroach gewesen wäre? Hm – keine Ahnung was ist das? Die Vokabel kannte ich nicht. Die Australierin durchsuchte erfolglos mein gesamtes Zimmer und ging wieder. Brr – irgendwo musste das Tier doch sein?

Einige Zeit später krabbelte ich noch mal selbst unters Bett und entdeckte den unerwünschten Gast. Ich schlug ihn tot und lief zu den Australiern und berichtete dies stolz. Dabei erfuhr ich, dass es nicht klug wäre, diese Tiere mit dem Hausschuh totzuschlagen. Die Eier sind in der Schuhsohle weiter lebensfähig und werden so weiter verbreitet.

Durch das Internet fand ich wenig später heraus, dass cockroach – Kakerlake bedeutet. Noch einmal ging ich zu den Beiden und erklärte ihnen, dass dies keine Kakerlake gewesen sein könnte, da sie etwa Daumengroß gewesen ist. Wieder lernte ich dazu, auch Kakerlaken sind in den Tropen größer als ich es bisher ahnte und sie können sogar fliegen.

Tierwelt auf Shikoku

Die Tierwelt auf Shikoku empfand ich schon als gruselig. Meine panische Angst äußerte sich sogar psychosomatisch. Mich juckte es bereits beim Anblick vom Spinnen am ganzen Körper. Dazu kam, dass ich hier in Japan meist ganz allein war. Selten war jemand da, der mir hätte helfen können. Schlangen gegenüber war ich bis zu dieser Reise relaxt, gibt es doch recht wenige in der Stadt. Und die sind auch nicht giftig. Hier in Japan gibt es Giftschlangen. Wie sagte man „Sei vorsichtig, wenn sie dich beißen, wirst du für immer schlafen“.

Wie sehe ich das heute? Über die europäischen Spinnen kann ich nur lächeln. Selbst die Bilder im Internet, lösen nur noch ein geringes Unbehagen in mir aus. Und Kakerlaken, naja – in der Stadt sind sie glücklicherweise nur selten zu sehen….

In der Nähe des Youth Hostels fand ich wieder einen für mich geeigneten Shrine zum Meditieren.

Dieser war bunt angemalt, hatte ein Schilfdach und da stand sogar ein Tisch mit Stühlen. Aufpasser gab es in dem Sinne nicht. Aber vielleicht erfolgte die Beobachtung über Kameras. Zu diesem Shrine ging ich jetzt jeden Morgen.

Nachmittags lief ich durch den Dogo Onsen Park. Es war ein wunderschöner Park mit vielen Bänken. Wenn ich auch ein Schattenbänkchen abhaben wollte, musste ich relativ zeitig dort sein. Auch die Japaner hielten in diesem Park ihren Mittagsschlaf. Ich fand es recht lustig, wir zogen alle ordentlich die Schuhe aus und legten unsere Köpfe auf die mitgebrachte Tasche. So lagen wir, jeder auf seiner Bank, und dösten vor uns hin.

Da es auch überdachte Bänke in diesem Park gab, überlegte ich kurz wieder, ob ich aus dem Youth Hostel in den Park umziehen sollte. Ich wäre nicht die Einzige gewesen, welche die Möglichkeit genutzt hätte. Dort „wohnten“ Japaner, welche wohl kein Heim mehr hatten. Ich ließ es besser bleiben.

In dieses Youth Hostel durfte ich schon gegen 14 Uhr zurückkommen, was ich dankend annahm. Ich genoss es in meinem klimatisierten Zimmer zu sitzen oder am Rechner zu mailen.

Auf ganz Shikoku gab es bisher nur sehr wenige Touristen. Irgendwie schienen die wenigen auch nur nach Matsuyama zu kommen, wohl wegen des Dogo Onsen. Da dieses ein besonderes Bad sein sollte, beschloss ich, es auch einmal zu besuchen. Ich wusste, dass es ein ehemals königliches Bad war und getrennt nach Geschlecht genutzt wurde. Aber was zog man dort an? Ich hatte keine Ahnung. Ging man im Bad nackt oder im Bikini? Sicherheitshalber zog ich meine Yukata über meinen Bikini.

Onsen – japanisches Bad

Dogo Onsen, die älteste heiße Quelle in Japan – spezielles Bad für die königliche Familie”.

Gestern Abend war ich in einem besonderen Onsen:

Dieses Bad hat eine Geschichte von 3000 Jahren. Es gibt zwei verschiedene Baderäume. Das Kami-no-Yu ist das größere während das Tama-no-Yu das noblere Bad sein soll. Es ist hier üblich mit der Yukata (ich würde dies als Sommerbademantel bezeichnen) zu diesem Bad zu wandeln und dann den Anweisungen zu folgen:

1. Eintrittskarte kaufen

(Kami-no-Yu = 400 Yen
Kami-no-Yu und Besuch des öffentlichen Aufenthaltsraumes mit Tee und Icecracker = 800 Yen
Tama-no-Yu und Besuch des öffentlichen Aufenthaltsraumes, Yukata, Tee und Icecracker = 1200 Yen und Tama-no-Yu mit private room = 1500 Yen)

2. Schuhe abgeben

Wörtlich übersetzt aus dem Prospekt: “Du kannst nicht in diese Einrichtung mit deinen eigenen Schuhen. Stelle deine Schuhe in ein Schuhfach. Schließe die Box und nehme den Schlüssel mit dir. Erinnere dich, wo deine Schuhe sind.”

3. Ticket Schalter

Wörtlich übersetzt aus dem Prospekt: “Das ist, wo du das Ticket, welches du gekauft hast, an einem Ticket Schalter beim Personal abgeben musst. Du kannst hier fragen, wo es zu den Umkleide- und Aufenthaltsräumen geht.”

4. Non Kami-no-Yu Badekurs

Den Badekurs würde ich lieber mit meinen Worten wiedergeben….

Man begibt sich in den Umkleideraum, entledigt sich seiner gesamten Kleidung und geht in den öffentlichen Baderaum. Dort setzt man sich auf einen Plastikhocker und seift und spült sich von oben bis unten ab. Wenn dies wirklich ausreichend geschehen ist, darf man in das Becken mit dem heißen Wasser steigen. Ich kam mir vor wie ein Krebs, der gekocht wurde. Nach dem ersten Bad soll man sich noch mal einseifen und wieder in das heiße Becken steigen.

5. Abtrocknen, Yukata anziehen und relaxen bei grünem Tee und Crackern.

Dann folgt im Prospekt noch die Erklärung wie man seine Yukata anziehen muss. Wenn man mit der rechten Hand hineingreifen kann, ist es korrekt. Links rum wird das buddhistische Totenkleid getragen.

Soweit mal in Kürze die Verhaltensregeln für ein Onsen, die mir in Englisch zur Verfügung gestellt wurden. Ich fand es sehr interessant, allerdings ist mir das Wasser viel zu heiß. So werde ich wohl eher das japanische Bad in den Hotels benutzen, wo ich mir die Temperatur selbst einstellen kann.


Hast auch du Lust einen Reisebericht zu erstellen? Dann schicke mir eine E-Mail an: urlaub@deine-reiseberichte.de . Eine Anregung zum Erstellen deines Reiseberichtes findest du unter: Vorlage.

Zusammenfassung
Name des Artikels
Im Dogo Onsen
Beschreibung
Mein Reisebericht - Pilgern in Japan. Im Dogo Onsen - dem königlichen Bad, Teil XV meiner Pilgerreise auf Shikoku.
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Marketing Dresden