Auch für die Japaner war es schwierig, die Verkehrsverbindungen herauszusuchen.
Am nächsten Tag lief ich sofort in die Touristeninfo von Kochi, um mich nach den Verkehrsverbindungen zu erkundigen. Anno ähm hm – das war ein ziemliches Problem für die Damen.
Sie fanden Folgendes heraus: Erst mit dem Zug nach Kubokawa zum 37er – das war recht einfach. Weiter müsste ich mit dem Zug und dann mit dem Bus. Der Busfahrplan zum 38er wurde auch gefunden, allerdings gab es keine Möglichkeit direkt von dort zum 39er zu gelangen. So wurde mir der Vorschlag gemacht, an einem Tag die Tempel 37 und 38 zu besuchen und einen Tag später die Tempel 39 und 40 zu bewältigen.
Die Frau war so nett, gleich mit auf dem dortigen Campingplatz wegen einem Stellplatz für mich zu fragen. Leider war dieser in den nächsten Tagen ausgebucht. Es gab auch kaum Schattenplätze oder Schutzdächer. Tagsüber in der Sonne zu zelten ist zwar im subtropischen Sommer für jeden Camper ein Horror. Mir graute jedoch mehr vor dem Regen, da ja mein Zelt nicht regendicht war. So fiel die Möglichkeit des Campingplatzes flach. Ich bat um einen Anruf in der Jugendherberge am Asizuri-Cape. Es stellte sich heraus, dass diese nur noch im Internet vorhanden war, also fielen jegliche „Umzüge“ flach.
Ordnungsgemäß füllte ich den Fragebogen aus.
Nach der Klärung meiner Fragen füllte ich selbstverständlich auch gleich noch den vom letzten Mal offen gebliebenen Fragebogen aus. Anschließend wollte ich mit dem Fahrrad zum Meer fahren. Aber unterwegs verlor ich die Lust mein Ziel zu erreichen. So bin ich unverrichteter Dinge wieder zurückgefahren. Vom Meer trennte mich mal wieder ein Berg. Damit hätte ich mit dem Rad entweder durch einen sehr langen Autotunnel fahren oder über den Berg gemusst. So fuhr ich wieder zurück und besuchte noch kurz einen weiteren Tempel (der nicht zur Pilgerrunde gehörte) in Kochi. Da es bereits 15 Uhr war, konnte ich anschließend zurück in die Jugendherberge radeln.
Wie hoch sind die entstehenden Fahrtkosten?
An diesem Abend war ich ziemlich bedrückt wegen den entstehenden Fahrtkosten, welche bei den nächsten Tempelbesuchen anfallen würden. So setzte ich mich hin und schrieb mir sämtliche Tempel und die Distanzen auf, um mir erst einmal einen Überblick zu verschaffen, wie ich weiter mache. Wollte ich diese Tempel noch besuchen? Oder blieb ich den Rest meiner Auszeit in Kochi? Ich hatte niemals vorgehabt, alle 88 Tempel zu besuchen. Ich hatte schon mehr Tempel „bezwungen“ als ich je erträumt hatte. Ich konnte einfach Schluss mit der Tempeltour machen und hier in Kochi bleiben und versuchen die Kosten dieser Reise so gering wie möglich zu halten…
Doch da gab es ein Gefühl in mir, dass mich drängte, auch diese Tempel noch zu besuchen. Sie lagen zwar für mich im tropischen Sommer zum Laufen zu weit auseinander. Dennoch fühlte ich mich irgendwie magisch von ihnen angezogen. So kam es, dass ich beschloss, mir keine Gedanken wegen der Fahrtkosten zu machen und kaufte mir am nächsten Morgen die Zugfahrkarte.

Dann ging sie los, meine Reise ins Unbekannte. Meinen Rucksack ließ ich in der Jugendherberge und ich hatte dem Herbergsvater meinen Plan erklärt. Wie immer schaute er mich skeptisch an, meine Vorgehensweise schien ungewöhnlich zu sein. Naja, normalerweise übernachten bei ihm ja auch nur japanische Pilger. Und die können einfach unterwegs in ihrem Pilgeratlas nach einer Unterkunft schauen, diese anzurufen und ein Zimmer reservieren. Das war mir nicht möglich, also musste ich andere Möglichkeiten finden, wenn ich erfolgreicher als bisher bei meiner Pilgerreise sein wollte.
Zuerst fuhr ich mit dem Zug und lief zum Tempel 37.

Er zeichnet sich durch eine wunderschöne Deckenmalerei aus.

Als ich nach der Bewunderung des Tempels auch Kobo Daishi begrüßt und mein Gebet verrichtet hatte, überlegte ich, ob ich zum nächsten Tempel trampen könnte? Es wäre doch supertoll, wenn ich es schaffen würde, alle vier Tempel an einem Tag zu besuchen. Durch die Lage der Tempel, welche alle im Südosten der Insel liegen (siehe Karten) war es mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht machbar. Aber wenn ich nun trampte, würde ich doch eventuell den Bus noch zum 39er Tempel bekommen?

Am Tempel 37 war ich die einzige Pilgerin gewesen. Ich hatte noch etwa eine ½ Stunde bis zur Weiterfahrt mit dem Zug und wartete daher erst einmal am Parkplatz auf Autopilger. Zuerst kam eine Buspilgergruppe – wir riefen alle „Ganbatte kudasai – Viel Erfolg“ aber sonst sah ich niemanden. Naja, dachte ich mir – es ist wie es ist – dann fahre ich halt weiter mit dem Zug und besuche die anderen Tempel morgen. Gerade als ich zum Bahnhof zurücklaufen wollte, kam ein Ehepaar mit einem Auto an.
Ich fragte sehr höflich, ob sie mich mitnehmen würden. „Ja natürlich“, war die Antwort. Ich freute mich und wartete, dass die Beiden von ihrem Tempelbesuch zurückkamen. Aber sie kamen nicht… „Was nur in aller Welt mache ich nun?“ Ich konnte nur mit diesem einen Zug fahren, ansonsten wäre ich an diesem Tag nicht mehr zurück nach Kochi gekommen. Ich sagte mir „Bleib ganz ruhig, irgendwann müssen sie wieder auftauchen“. Und so war es auch, sie kamen angerannt und entschuldigten sich dafür, dass ich solange warten musste.
Pilgern mit japanischen Autopilgern
Wir stiegen ins Auto und unterwegs bekam ich als erstes eine riesengroße Feige geschenkt. Wir hatten ca. 87 km Autofahrt vor uns. Es war inzwischen Mittag geworden und die Japaner essen sehr zeitig. Ich verstand, dass die Beiden nach einem Restaurant suchten. Sie fanden ein Einkaufszentrum und parkten ein.
Ich hatte genug zu essen bei mir und bat sie, hier auf dem Parkplatz warten zu dürfen. Dies ist natürlich nicht mit japanischer Höflichkeit vereinbar und so musste ich ins Restaurant mitgehen. Meine Erklärung der vegetarischen Ernährung verstanden sie und so aßen wir wenig später gemeinsam Nudeln. Leider weigerten sie sich vehement, mein Geld für das Essen anzunehmen. Weiter ging die Fahrt, über Berge und wieder über Berge. Ich hatte meinen Atlas dabei und verfolgte die Route. Wäre nicht die Strecke am Meer wesentlich einfacher gewesen? Ich glaube, wir brauchten mit dem Auto genauso lange, wie ich mit Zug und Bus benötigt hätte.
Die Japaner meinten: Am Tempel 39 waren wir schon!
Unterwegs erkundigte ich mich, ob die beiden so ganz rein zufällig auch zu dem Tempel 39 fahren wollten. Die Antwort war definitiv, dass sie dort schon einmal waren. In manchen Fällen ist die japanische Sprache sehr einfach und eindeutig. Es ist meiner Meinung nach relativ leicht für einen Ausländer den Unterschied zwischen „haben wir gemacht und machen wir noch“ zu hören. Im Japanischen heißt das „ikimaßu bzw. ikimaschta“. Ich versuchte verschiedene Varianten der Fragestellung, bekam jedoch jedes Mal die gleiche Antwort. Na gut. Auf ihre Frage, wie ich denn zurückkäme, erklärte ich ihnen, dass ich mit dem Bus zurück nach Kochi fahren wollte.
Es ist ein Unding, dass ein Japaner in der Öffentlichkeit sein Gesicht verliert.
Den 38er Tempel besuchten wir gemeinsam, natürlich wurden gemeinsame Fotos gemacht und vor meiner Abreise wollte ich noch auf die Toilette gehen. Nun muss man wissen, dass es verboten ist mit der Kobo Daishi Tasche und der Stola (welche um den Hals hängt), auf Toilette zu gehen. Die Stola hatte ich demzufolge auch immer davor abgelegt. Aber meine Tasche – mit Reisepass, Geldkarte, Flugtickets, „Stempeltempelbuch“ – halt allen wichtigen Papieren – hatte ich immer bei mir behalten.
Diesmal nahm die Frau mir die Tasche aus der Hand und schickte mich auf die Toilette. Und so ist halt Japan – es wäre ein Unding, mich dagegen zu verwehren. Das Schlimmste ist es einen Japaner zu blamieren. Das heißt, in der Öffentlichkeit seine Meinung nicht zu respektieren und dagegen zu protestieren. Andererseits ist Japan auch ein sicheres Land und so bekam ich selbstverständlich meine Tasche wohlbehalten zurück.


Dem Ehepaar war daran gelegen, dass ich sicher zur Bushaltestelle komme. So fragten sie sich für mich durch, wo diese sich denn befände. Als wir sie gefunden hatten, verabschiedeten sie sich sehr freundlich von mir. Ich hatte keine Ahnung, ob für die Beiden hier und jetzt die Pilgerreise zu Ende war.
Und ich? Zum einen wollte ich mir noch das Meer ansehen, welches an dieser Stelle besonders bizarr sein sollte. Ja und dann hoffte ich, dass sich vielleicht ein anderer Pilger findet, der mich zum nächsten Tempel mitnehmen würde. Ich ging davon aus, dass ich das Ehepaar ja nie im Leben wiedersehen dürfte. Damit würden sie meinen Schummel nicht merken.
Ein anderer japanischer Autopilger
Also stürmte ich kurz zum Meer. Dann lief ic zum Parkplatz und traf auch wirklich einen Pilger, der mich zum nächsten Tempel mitnehmen würde. Ich hatte zwar keinen Plan, wie ich vom Tempel 39 zurück nach Kochi komme, aber irgendwie würde sich das finden, davon war ich überzeugt.
Dieser Pilger zeichnete sich dadurch aus, dass er wirklich jede Minute auf die Uhr schaute. Ob das entspannend war? Wie wollte der Mann Innenschau halten, wenn er unter Zeitdruck stand? Mir konnte dies egal sein, es war nur immer wieder interessant für mich, die Japaner und ihre Gewohnheiten zu beobachten.
Der nächste Tempel war „nur“ 56 km entfernt. Die Kommunikation war etwas schwieriger, da der Mann sich sehr auf das Fahren konzentrieren musste. Spaßeshalber erkundigte ich mich bei ihm, ob er heute auch noch den 40er Tempel besuchen will. Er antwortete: „Ja, das habe ich vor.“ Ich fragte: „Könnte ich mitfahren?“ Mein Herz schlug ganz aufgeregt, als er sagte: „Ja das ist möglich.“ Juhu – vom 40er wusste ich, wie ich wieder heim nach Kochi komme. Schon war mein Problem gelöst.
Wir erreichten den Tempel 39 und wen traf ich da?
Ich traf das Ehepaar wieder, welches mich bis zum Tempel 38 mitgenommen hatte. Weder sie noch ich wussten so richtig wie wir schauen sollten. Uns war allen klar – sie hatten mich angelogen. Auch wenn mein Japanisch nicht so perfekt war, es war allen Beteiligten klar. Gelogen auf einer Pilgerreise! Jeder hat ein Ziel, warum er diese Reise macht, aber während einer Pilgerreise zu lügen, dass konnte nur ein NOGO sein! Letzten Endes war ich den beiden dankbar, dass sie mich die 87 km mitgenommen hatten. Also lächelte ich und tat so, als hätte alles seine Richtigkeit. Irgendwie konnte ich die Erleichterung spüren, auch wenn sich das schlechte Gewissen nicht leugnen ließ.

Mein Autopilger bummelte ziemlich lange beim Besuch des Tempels 39. Da alle Tempel Punkt 17 Uhr schlossen, musste er sich heftig beeilen, wenn wir noch rechtzeitig am Tempel 40 sein wollten. So geschah es auch, in noch kürzeren Abständen schaute er auf die Uhr und ich half ihm bei der Suche nach dem Weg. Wir schafften es gerade noch um 16.59 Uhr den Parkplatz des Tempels zu erreichen.
Ich bedankte mich bei ihm in aller Form, das heißt mit Worten und Verbeugung (Ordnung muss sein) und rannte los, um mir meinen Stempel zu holen. Nichts wäre ärgerlicher gewesen, wenn ich auch nur eine Minute zu spät gekommen wäre und noch einmal zu diesem Tempel hätte fahren müssen. Diesmal ließ ich ausnahmsweise auch mal sämtliche religiöse Handlungen weg – Kobo Daishi möge mir verzeihen – und holte mir sofort meinen Stempel.
Noch ein Wiedersehen mit dem japanischen Pilgerehepaar.
Und wen traf ich an diesem Tempel? Dem Ehepaar und mir fiel noch einmal der Kiefer herunter – das hatten weder sie noch ich erwartet. Nachdem wir uns fassungslos angesehen haben, musste ich sofort zur Bushaltestelle. Sie begriffen, dass ich diesmal ernsthaft den Bus zum Bahnhof um 17.10 Uhr bekommen musste. Gar zu gern hätten sie mir geholfen, aber nach dem was vorgefallen war, erlaubten dies die japanischen Regeln nicht. So ist zumindest mein Verständnis dieser Regeln.

Es war für mich schwierig, die Haltestelle zu finden, da sich auf der Straße auch noch eine Baustelle befand. Ich ignorierte sämtliche Autos und rannte los. Aus welcher Richtung musste eigentlich der Bus kommen? Hätte ich auf der falschen Straßenseite gestanden, wäre ich durch den starken Verkehr möglicherweise nicht mehr rechtzeitig über die Straße gekommen. Also Fragen – Anno, ähm, hm – die Japaner legen sich ungern fest – und mir saß die Zeit im Nacken….
Ich stand auf der richtigen Seite.
Der Busfahrer bestätigte mein Ziel mit Kopfnicken und schon ging es los Richtung Bahnhof. Fahrkarte kaufen war hier nur an einem Automaten möglich. Und der nahm meinen 1000 Yen Schein nicht. Ich brauchte also jemanden, der den Schein wechselte. Ich hatte keine Ahnung was „Geld wechseln“ auf Japanisch heißt, also musste ich mir was einfallen lassen.
Vor dem Bahnhof standen Taxen, so ging ich hin und zeigte mit meinen Fingern, dass ich den Schein gern zerschnitten hätte. Ein Mann kam auch prompt grinsend mit einer Schere… Ein anderer hatte glücklicherweise das nötige Kleingeld zum Wechseln. Nun brauchte ich wieder jemanden, der für mich die Fahrkarte aus dem Automaten holt. Das Kanji für Kochi kannte ich ja, aber ich musste in Kubokawa umsteigen und dieses Kanji kannte ich nicht. Damit war das Kaufen einer Fahrkarte für mich unmöglich. Mir half auch der Nächste, der den Bahnhof betrat. Im Zug ließ ich dann erst mal meine Erlebnisse des Tages Revue passieren und musste schon wieder ein bisschen lächeln.
Jeder hat sich an japanische Regeln zu halten!
Um meine Anspannung durch die Aufregungen des Tages ein wenig zu lösen, wollte ich so ganz, ganz leise ein wenig Musik mit meinem Handy im Zug hören. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meine Kopfhörer noch nicht in meinem Handgepäck mit dabei. Es waren nur wenige Minuten, bis der Schaffner zu mir kam und es verbot. Wenn ich da an das Zugfahren in Deutschland denke. Da hört man oft deutlich die Musik des Gegenüber, auch wenn er Kopfhörer aufhat. Oder nehmen wir die Fahrgäste, welche so laut telefonieren, dass man gezwungen wird zuzuhören. Diese Verhaltensweisen wären in Japan undenkbar.
Im Youth Hostel kam ich zu spät zum Abendessen. Dennoch wurde ich ganz fix zum Waschen geschickt, bevor ich mich an den Tisch setzen durfte. Ordnung muss sein.

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