Schwierigkeiten mit meiner Geldkarte.
Am nächsten Morgen verließ ich das Hostel, um zuerst einmal Geld in Kochi zu holen. Durch meine Probleme „englischsprechende Automaten“ zu finden, wollte ich immer mindestens 100.000 Yen (ca. 750 €) bei mir haben. In meinem Atlas hatte ich gesehen, dass am Bahnhof ein Automat sein sollte. Dieser Geldautomat hatte auch in der Tat eine grüne Taste „English“. Jedoch bekam ich auch beim dritten Versuch kein Geld. Was nun? Ich erfuhr, dass gleich in der Nähe eine Bank sein sollte. Ich lief hin und bekam auch hier am Automaten kein Geld. Langsam wurde ich unruhig.
So beschloss ich, mich direkt an die Bankangestellten zu wenden und zog eine Nummer. Ordnung muss in Japan sein, auch in den Banken geht alles geregelt zu. Als ich an der Reihe war, versuchten die Frauen nun auch, mit meiner Karte Geld aus dem Automaten zu locken, aber ebenso ohne Erfolg.
Die Bankangestellte entdeckte, dass meine Karte geknickt war und begann an dieser rumzubiegen. Um Gottes Willen, ich bekam einen Schock, was wenn diese nun bricht…
Die Bankangestellte mutmaßte, dass ich vielleicht nicht genug Geld auf dem Konto hätte?
„Mutmaßte“ sollte ich näher erklären. Die Damen bemühten sich mit Hilfe des Internets mir ihre Gedanken auf Englisch zu übersetzen. Ich weiß nicht mehr, was auf dem Zettel stand, aber es war recht lustig. Nicht die Situation. Ich bat die Damen, doch bitte in Deutschland auf meiner Bank anzurufen, um das Problem zu erklären. Das wollten sie nicht wirklich, also loggte ich mich selbst ein, um zu sehen, was der Kontostand sagt. Ein bisschen Geld war schon noch auf dem Konto, daran konnte die Geldverweigerung der Automaten nicht liegen.
Ich putzte den Magnetstreifen und versuchte es noch einmal. Und siehe da, der Automat zuckte kein bisschen und gab mir mein Geld. Ich ging voller Freude zu den Damen, die das auch nicht fassen konnten.
Nun hatte ich noch einen Scheck aus Deutschland mitgebracht und wollte wissen, ob sie mir in der allergrößten Not dafür Geld geben würden. Der Scheck wurde in ein Körbchen gelegt und dann verschwand die Frau damit. Hallo – ich wollte doch nur wissen, ob es prinzipiell geht? Nein „Hallo“ ruft man in Japan nicht, man wartet geduldig bis die Bearbeiterin wieder zurückkommt. Sie sagte mir, dass es mit dem Scheck funktionieren würde. Ich fragte, ob ich denn morgen den Scheck eintauschen könnte, nein – da war Samstag. Na gut, aber Montag ginge es? Nein da ist Feiertag – aber am Dienstag. Na also, da hatte ich doch die Aussage, die ich wollte.

Besuch des Tempel 36
Als zweites hatte ich mir für diesen Tag den Tempel 36 vorgenommen. Ich hatte gelesen, dass man ab Kochi in etwa einer Stunde mit dem Bus in die Nähe des Tempels fahren konnte und ab da wäre es nur noch ½ Stunde zu Fuß. Mario aus der Touristeninfo in Tokushima hatte mir versichert, dass es in den Touristeninformationen auf ganz Shikoku immer jemanden gibt, der Englisch spricht. In Tokushima war die Touristeninformation in einem separaten, modern eingerichteten Raum untergebracht.
So suchte ich hier in Kochi nach ähnlichen Räumlichkeiten. Nach längerer Suche fand ich sie in der Haupthalle des Bahnhofs. Es war ein einfacher Tresen, wo zwei Leute saßen. Hier war es zugig und durch die Lautsprecherdurchsagen sehr laut. Eine der beiden Frauen sprach auch wirklich ein bisschen Englisch: Ich bat sie, mir aufgrund meines Fahrplanleseproblems die Busfahrzeiten rauszusuchen. Ich erfuhr, dass der nächste Bus bereits zwei Minuten später abfuhr.
Diesen Bus muss ich bekommen!
Bedingt durch die seltenen Fahrtzeiten musste ich diesen Bus bekommen, sonst hätte ich die Tour für diesen Tag absagen müssen. Ich brauchte ja auch einen Bus wieder zurück nach Kochi und nachmittags fuhr nur noch ein einziger. Obwohl der Frau das Problem klar war, überreichte sie mir einen Fragebogen, wie zufrieden ich mit den Informationen gewesen wäre. Manchmal hatte ich Probleme, die Gedankengänge der Japaner zu verstehen…
Ich versprach ihr, das Formular ein anderes Mal auszufüllen und rannte zum Bus. Wie immer fragte ich den Busfahrer sicherheitshalber noch mal und er bestätigte mein Ziel. So fuhren wir los. Unterwegs staunte ich mal wieder. Der Bus fuhr lange Zeit genau die Straßen entlang, welche ich gestern mit dem Fahrrad gefahren war. Ja wenn man sich auskennt, ist alles viel einfacher.
Der Weg zum Tempel ging am Meer entlang und ich sah auch eine Stelle, wo baden erlaubt gewesen wäre. Ich badete gern im Meer. Aber die Vorstellung, dass die Haut hinterher vom Salz klebt und ich den Sand in den Wanderschuhen habe, ließ mich den Gedanken wieder verwerfen.
Gibt es hier ein Plätzchen am Meer, wo ich für einige Zeit bleiben kann?
War hier vielleicht ein Plätzchen, wo ich zelten und bleiben konnte? Zwar war das Youth Hostel recht preiswert, doch hatte ich ja ursprünglich geplant kostenlos in meinem Zelt am Meer zu übernachten.
Um zum Tempel zu gelangen, musste ich über eine große Brücke laufen.

Unterhalb der Brücke waren ein Toilettenhäuschen und eine Bank – vielleicht da? Oder hier am Strand? Oder hier zwischen den Häusern? Oder hier am Wiesenrand? Ich fragte auch in einem Hotel und am Tempel nach einem Zimmer – aber diese waren zu teuer. Es war wie in der ersten Woche. Ich sah nicht die Schönheit der Landschaft, ich genoss nicht den Augenblick, ich suchte einen Platz zum Schlafen. Einen Platz, an dem ich die letzten Wochen bleiben konnte. Ich fand auch keinen Supermarkt in dieser Gegend, es gab nur einen Tante Emma Laden, in dem ich mir etwas zu Essen hätte kaufen können.


Ich weiß nicht, ob ihr euch vorstellen könnt, wie es ist, wenn man über längere Zeit allein ist. Ein paar Tage empfinde ich dies angenehm. Vielleicht auch eine oder zwei Wochen. Andererseits genoss ich auch die Gespräche mit Familie und Freunden. Insgesamt sah ich aber kein Problem darin, diese Auszeit allein zu verbringen. In meiner Heimat war ich stets auch in einem sozialen Netzwerk geborgen und musste mir keine Sorgen um mein Überleben machen.
Ich litt unter Einsamkeit.
Jetzt war ich hier in Japan und ich litt unter der Einsamkeit. Ich hatte niemanden, mit dem ich reden und über mich selbst spotten konnte. Niemanden, der mir sagte, Kathrin – mache die Augen auf, du hast jetzt in Kochi eine tolle Übernachtung, super Essen und bist in Sicherheit. Was willst du noch? Ich schmorte in meinen eigenen Gedanken und war einfach nur unglücklich.
Ich hatte in den letzten Jahren sehr viele Seminare besucht, verschiedenste Bücher gelesen, mich mit dem Sinn und den spirituellen Gesetzen des Lebens auseinandergesetzt. Dadurch hatte ich verschiedene neue Leitsprüche und Denkmuster in mein Leben integriert. Diese funktionierten in Deutschland sehr gut: Z.B. mochte ich den Spruch:
„Zwei Gefangene sahen in die Ferne, der eine sah das Gitter, der andere die Sterne“. In Japan sah ich nur noch das Gitter…
Wenn man sich eine wunderschöne Blume neben einem Problemberg vorstellt – ich sah nur den Problemberg.
Ich hatte gelernt, achtsam zu sein, den Augenblick zu leben und mit allen 5 Sinnen zu genießen. Ich wusste das Glücksgefühl kommt von innen, es kommt dabei nur auf meine Einstellung an.
Auch schaffte ich es, das ständige Denken in meinem Kopf zu stoppen und verschiedene Sichten auf ein und dieselbe Situation zu erkennen.
Ich glaubte an einen Gott bzw. Schöpfer des Universums, der für mich sorgte und mich beschützte. Dadurch war ich in der Lage loszulassen und die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind, auch wenn ich nicht immer den Sinn mit meinem Menschenverstand erfassen konnte.
Hier in Japan war jedoch alles anders…
All dieses Denken funktionierte hier nicht mehr. Warum?
Ich suchte andauernd einen Platz, wo ich bleiben konnte. Und hier im Süden der Insel wollte ich doch bleiben! Kochi kam als Großstadt selbst nicht in Frage, aber ich hatte gehofft, hier am Meer einen Platz zu finden.
Diese Gedanken gingen mir während des Tempelbesuches durch den Kopf. Ziemlich bedrückt, fuhr ich zurück nach Kochi. Lange überlegte ich, wie es nun weitergehen soll. Dann fasste ich einen Entschluss.
Ich bleibe erst einmal im Youth Hostel in Kochi
Hier in der Jugendherberge gefällt es mir, so beschloss ich, erst einmal bleiben. 32 Euro für ein Zimmer pro Tag inklusive einem leckeren Frühstück und Abendbrot, das war in Ordnung. Dazu bekam ich kostenloses Internet und all die anderen Bequemlichkeiten, wie eine Dusche. Zwar war das Meer ziemlich weit weg, aber dennoch. Es war hier wirklich schön und so fragte ich den Herbergsvater, ob ich eine Woche bleiben kann. Er sah mich etwas skeptisch an. Eine Pilgerin, die so lange bleiben will, war schon sehr ungewöhnlich. Aber er reservierte mir das Zimmer.
Irgendwie fühlte der Herbergsvater sich für mich verantwortlich. Er machte mir die nächsten Tage immer wieder Vorschläge, was ich mir denn alles (Touristisches) in Kochi ansehen könnte. Daran war ich zwar nicht wirklich interessiert, aber ich lies mir gern den Stadtplan von Kochi in Englisch und in Japanisch geben, das konnte nicht schaden.
Auch das Youth Hostel war tagsüber geschlossen.
Bedingt durch die Schließzeiten der Jugendherberge tagsüber musste ich mir etwas einfallen lassen, wie ich meine Tage verbringen konnte. Tagsüber könnte ich im Schlosspark spazieren gehen. Mit dem Fahrrad müsste ich es auch problemlos bis ans Meer schaffen, um dann wenigstens am Meer spazieren zu gehen. Ich wollte versuchen wieder zu meiner inneren Ruhe zu finden und im Hier und Jetzt anzukommen. Mir wurde bewusst, dass ich gedanklich immer nur in der Zukunft war (wo fahre ich hin, wie mache ich weiter, wo schlafe ich) und das kostet mich einfach zu viel Energie und Kraft.
Am nächsten Tag – ich war jetzt 3 Wochen in Japan – spazierte ich durch die Parks von Kochi, um eine geeignete Stelle zu finden, wo ich lesen und meditieren konnte. Auf einem Sportplatz im Park beobachtete ich ältere Menschen, welche Kricket spielten. Wie immer weckte mein Erscheinen Interesse und sie sprachen mich an. Ihre Einladung mitzuspielen, lehnte ich freundlich ab. Ich war unendlich traurig über mich selbst und damit emotional nicht in der Lage mit ihnen zu schwatzen und zu lachen, auch wenn ich es mir noch so sehr gewünscht hätte.
Ein Shrine zum Meditieren
In Kochi gibt es mehrere Tempel und Shrines. Die Tempel gehören der buddhistischen Religion an, während die Shrines zum Shintoismus zu zählen sind. Worin besteht der Unterschied zwischen diesen Religionen? So wie ich es verstanden habe, gehören die meisten Japaner beiden Religionen an. Je nach Ereignis (Geburt, Hochzeit oder Tod) wählen sie bei den Zeremonien zwischen den Religionen.
Da ich in den Parks keinen geeigneten, ruhigen, schattigen Platz fand, lief ich durch Kochi. Vielleicht gab es hier doch einen Tempel, in dem ich mich tagsüber niederlassen konnte? So kam ich unter anderem auch ins internationale buddhistische Zentrum. Wieder begegnete mir eine unglaubliche Gastfreundschaft. Der Tempel wurde mir in allen Einzelheiten (auf Japanisch) beschrieben, anschließend gab es Tee und Kekse. Man fragte mich nach meinen Eindrücken während meiner Pilgerreise und ich erzählte unter anderem, dass ich die Preise für Obst als sehr hoch empfinde. Als ich den Tempel verließ, hatte ich einen zwei kg schweren Beutel mit den leckersten Früchten in der Hand…
Am nächsten Tag ergriff mich erneut die Unruhe.
Das größte Problem am Besuch der 88 Tempel war für mich, eine Unterkunft vor Ort zu finden. Wenn ich nun einfach meine Strategie änderte und mir jeweils eine Basis suchte, von der aus ich zu den Tempeln pilgere? Damit könnte ich auch meinen schweren Rucksack in der Unterkunft lassen und nur mit Tagesgepäck losziehen? Dann könnte ich ja von Kochi aus die Tempel 37, 38, 39 und 40 besuchen? Die Entfernungen zwischen diesen Tempeln waren eh recht groß (Tempel 36 zu Tempel 37 = 56 km, zu Tempel 38 = 87 km, zu Tempel 39 = 56 km und zu Tempel 40 nochmal 30 km). Hier in Kochi hatte ich jetzt eine Unterkunft, in der ich bleiben konnte und wollte.
Damit folgte die Frage: „Wie könnte ich am besten den Besuch der Tempel verbinden?“ Mein Drang die Kosten zu minimieren, bestimmte mein Denken.
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