Patrick und ich pilgern gemeinsam
Am nächsten Tag wollte Patrick zu den Tempeln 18, 19 und 20. Bis Tempel 17 war ich ja auch gekommen. Ich war zuversichtlich. Ich dachte mir, wenn wir die Tempel gemeinsam besuchen, wird es sicher nur halb so kompliziert. Und dann kann ich mir ja immer noch überlegen, wie ich weiter mache.
Wir ließen unsere Rucksäcke im Hotel, fuhren mit dem Bus in die Nähe des Tempel 18 und liefen von dort 4 km weiter zum Tempel 19. Der Weg ging diesmal durch einen wunderschönen Bambuswald. Nie zuvor hatte ich Bambus in einer solchen Größe gesehen. Der Pilgerweg war schlecht ausgeschildert, so hatten wir am Tempel 19 Probleme den weiteren Weg zu finden.
Regen – von oben und Spritzwasser von unten
Als wir auf dem richtigen Weg waren, setzte plötzlich ein Regen ein, wie er kaum vorstellbar ist. Doch bereits nach wenigen Metern wurde klar, bei diesem Regen sind die zu laufenden 13,7 km bergauf zum Tempel 20 nicht machbar. Nun stand die Frage: Wie geht es weiter? Der Tempel 19 liegt in einer kleinen Stadt. Und wir waren kurz vorher an einer Bushaltestelle vorbeigelaufen, also liefen wir wieder zu dieser zurück.
Bloß wohin mochte der Bus fahren? Wir hatten keine Idee, was die Zeichen bedeuten konnten. Da es so aussah, als ob in wenigen Minuten ein Bus kommen könnte, beschlossen wir unter dem Vordach eines Hauses zu warten. Wir wollten den Busfahrer fragen, ob er vielleicht in die Richtung des Tempels 20 fuhr.
Wir gingen unter die Autopilger
Auch wenn wir der japanischen Pünktlichkeit vertrauten, waren wir uns jedoch nicht wirklich sicher, ob tatsächlich ein Bus in den nächsten Minuten kommen wird. Wir beschlossen die Zwischenzeit zu nutzen, um vielleicht einen Autopilger (Pilger, welche die Runde mit dem Auto absolvieren) zu finden. Bereits nach kurzer Zeit hielt wirklich ein Auto. Ich fragte das Ehepaar, ob sie zum Tempel 20 fahren. Sie bejahten dies und wollten uns auch mitnehmen. Es ist kaum zu glauben, aber bis wir im Auto saßen, waren wir und damit die Sitze, patschnass. Die Japaner verübelten das uns nicht.
Als wir uns im Auto umsahen, sahen wir 2 Pilgerhüte. Ah – Pilger so wie wir – oh das ist ja optimal. Wir fuhren mit dem Auto fast Schrittgeschwindigkeit. Der Regen spülte die Erde der Berghänge herab und dadurch behinderten uns, zusätzlich zur schlechten Sicht, auch noch die Schlammmassen. Es ging immer höher in Serpentinen bergan.
Gespenstische Atmosphäre am Tempel
Beim Tempel angekommen, verabschiedete sich das Ehepaar von uns, ohne den Tempel zu besuchen. Waren die Beiden nur wegen uns den mühsamen Weg zum Tempel gefahren? Vorstellbar ist es – so ist die japanische Gastfreundlichkeit. Der Tempel selbst war sehr romantisch gelegen. Da es in dieser Gegend sehr häufig regnet, war alles in eine Dunstglocke getaucht. Es wirkte ein bisschen gespenstig wie in einem Edgar Wallace Film. Irgendwo hörte ich, dass dort auch ab und zu mal solche Filme an diesem Tempel gedreht werden.
Wir waren nun wesentlich eher als geplant an unserem Tagesziel eingetroffen und auch der Regen hatte nachgelassen. Also stellte sich die Frage „Wie machen wir nun weiter?“ Den Berg konnten wir nicht wieder runter laufen, durch den Regen war alles schlammig, rutschig und dadurch gefährlich. Wir beschlossen, es noch einmal mit trampen zu versuchen: „Vielleicht finden wir einen anderen Pilger, der die 6,5 km zum Tempel 21 fährt?“. Wir liefen zum Parkplatz und warteten.
Schock – meine einzige Geldkarte hatte einen Knick!
Ich wollte die Zeit nutzen, bis wieder ein Auto den Berg heraufkommt und auf Toilette gehen. In Japan gibt es die unterschiedlichsten Toiletten. Neben beheizten Toilettenbrillen gab es Toiletten mit Soundmacher, welche gewisse Geräusche übertönen soll. Manchmal war auch eben mal nur ein Loch im Boden, so wie in den südlichen oder russischen Ländern. Dann heißt es in die Hocke gehen.
Durch die hohe Luftfeuchtigkeit klebte meine Hose an den Beinen und ich wendete Gewalt an. Plötzlich spürte ich es! Ich hatte in einer kleinen Seitentasche der Hose meine Geldkarte. Durch die ruppige Art bekam die Karte einen Knick und am Magnetstreifen war ein Riss erkennbar. Ich hatte nur diese EINE Geldkarte mit und diese war genau in der Mitte geknickt. Patrick und ich versuchten gemeinsam die Karte wieder vorsichtig gerade zu biegen, aber würde der nächste Geldautomat die Karte akzeptieren? Ich war noch 8 Wochen allein in Japan und dazu brauchte ich Geld….
Japanischer Autopilger
Und wirklich – wir fanden einen Pilger der bereit war, uns zum nächsten Tempel mitzunehmen. Er hatte ein vornehmes Auto, vergleichbar mit einem Mercedes. Aber der Mann fuhr mit einer Verbissenheit, die wir nicht verstehen konnten. Fuhr ihm ein Auto zu langsam – hupte er, bis dieser anhielt. Einmal hatte das Auto vor uns den linken Blinker an. Er ignorierte dies und fuhr genau in dem Moment vorbei, als das Auto abbiegen wollte. Wir fühlten uns nicht allzu sicher in seinem Wagen.
Der 21er ist ein Bergtempel auf 618 m und kann, meines Wissens, nur mit einer Seilbahn erreicht werden. Wir hatten uns darauf gar nicht vorbereitet, weil wir zu diesem Tempel erst am nächsten Tag fahren wollten. Dieser Autopilger schien nicht nur die Seilbahn, sondern auch deren Abfahrtszeiten zu kennen, darum rannten wir ihm vom Parkplatz zur Seilbahn hinterher, um diese auch noch vor Abfahrt zu erreichen.
Wir hatten mittlerweile in unseren Reiseführern herausgefunden, dass es sehr schwierig war, vom Parkplatz wieder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück nach Tokushima zu kommen. So hofften wir, dass uns dieser Autopilger eventuell zum nächsten Tempel mitnimmt. Zum einen war es der letzte Tempel, welcher sich in der Gegend um Tokushima befand. Außerdem hatten wir in unseren Unterlagen gesehen, dass wir vom Tempel 22 relativ unkompliziert wieder mit dem Zug nach Tokushima hätten fahren können.
Wie kommen wir wieder zu einem Bahnhof?
Als wir auf dem Berg mit der Seilbahn ankamen, beobachteten wir diesen Autopilger, um nicht seine Rückfahrt zum Parkplatz zu verpassen. Dadurch hatten wir nicht viel Ruhe, die Schönheit des Tempels und der Anlage zu genießen.
Als der Pilger zur Seilbahn zurückkam, fuhren wir zusammen nach unten und der Pilger nahm uns ohne langes Fragen die 11,7 km bis zum nächsten Tempel mit. Wir bedankten uns bei ihm sehr herzlich und nach dem Besuch des Tempel 22 liefen wir zum Zug. Auf Shikoku fahren die Züge nicht sehr häufig und so saßen wir fast 2 Stunden bevor der Zug kam.
Logischerweise gingen wir in Tokushima als Erstes zum Geldautomaten, um meine Geldkarte zu testen. Es kann sich sicher jeder meine Erleichterung vorstellen, als das Gerät meine Karte einzog und Geld ausspuckte. Zumindest diesmal hatte ich Bargeld bekommen….
Durch unsere ungeplante Tramper-Tour hatten wir bereits an einem Tag das Pensum von zwei Tagen absolviert. Damit standen wir vor der Frage, was wir am nächsten Tag tun können. Wir hatten in der Touri-Info einen schicken farbigen Prospekt über die Präfektur Tokushima erhalten. Darin waren Bilder und Infos über die dortigen Sehenswürdigkeiten. Wie entschlossen uns, zu den weltberühmten Strudeln in der Nähe von Naruto zu fahren. Wir fuhren mit dem Zug nach Naruto und dort zeigten wir dem Busfahrer das Bild von den Strudeln im Prospekt. Er nickte, so stiegen wir ein und zogen unser Busticket.
Bus- bzw. Zugtickets
Vor allem auf Shikoku zieht man beim Einsteigen einen kleinen Zettel, auf dem eine Nummer steht. Links oberhalb des Busfahrers ist eine Tafel, auf der man dann verfolgen kann, wie viel die Busfahrt ab dem Einstiegsort (Nummer auf Zettel) kostet. Beim Aussteigen hat der Fahrgast das (passende) Kleingeld zur Hand und wirft dies unter den kontrollierenden Blicken des Fahrers in einen Kasten und darf wieder aussteigen. Ich habe nie beobachtet, dass ein Fahrgast sich vor der Bezahlung gedrückt hat.
Wenn viele Leute aussteigen, dauert es ziemlich lange bis alle bezahlt haben und die Fahrt weitergeht. Oft habe ich beobachtet, dass die Fahrgäste bei den Haltestellen ihren Platz so lange wechselten, bis sie beim Fahrer die Poleposition hatten. Möglicherweise tun sie dies, um das Aussteigen zu beschleunigen. Dies fand ich sehr intelligent. Leider kannte ich dieses System am Anfang nicht, so dass ich oft die gesamte Wegstrecke die Poleposition blockiert habe. Der Busfahrer sollte mir Bescheid geben, wenn ich wieder aussteigen muss.
Die Strudel von Naruto
Nach einer langen Busfahrt kamen wir bei den Strudeln an. Wir kauften Tickets für das Boot, mit welchem man in deren Nähe gelangte. Die Strudel selbst haben mich nicht so sehr beeindruckt. Es sind Gezeitenstrudel, welche durch eine Verbindung zwischen dem Pazifik und der Seto-Inlandsee entstehen. Der Höhenunterschied der Wasserspiegel zwischen Inlandsee und Pazifik beträgt bis zu 1,5 m. Allerdings sieht man dies nicht wirklich. Es bedarf schon eines gewissen fotografischen Geschicks, dies zu dokumentieren.
Ich hatte Patrick von Naemi erzählt, welche ich durch Ossi kennen gelernt hatte und die in Naruto lebt. Kurzerhand beschloss er, dass wir sie auch noch besuchen wollen, wenn wir einmal hier sind. Die Telefonnummer hatte ich dabei, so riefen wir nach der Bootstour im Hafengebäude an. Wir erreichten Naemi auch wirklich, jedoch teilte sie uns mit, dass sie im Moment auf Arbeit ist. Sie arbeitet für die Deutsch-Japanische Gesellschaft als Dolmetscherin in einem Rathaus.
Sofort fasste Patrick den Entschluss, dass wir dann halt zum Rathaus fahren und Naemi dort treffen. Und wir zogen los und konnten wirklich bereits kurze Zeit später mit ihr plaudern…
Manchmal meinen es die Japaner mit den Nichtjapanern zu gut!
Zurück in Tokushima hatten wir mit Sanae, der Hotelmanagerin, vereinbart, abends gemeinsam Sushi zu essen. Sie ist eine liebe, aber auch sehr unstete Frau. So stürmten wir in das von ihr erwählte Sushi Restaurant und sie bestellte für uns, dass was ihrer Meinung nach gut für uns ist. Den Tee musste man sich selbst machen, dafür gab es an jedem zweiten Platz einen Hahn mit kochend heißem Wasser. Als Patrick sich Wasser nehmen wollte, sprang sie auf, um ihm zu helfen.
Später hatte ich noch häufig Erlebnisse, wo ich wie ein kleines Kind behandelt wurde. Ein bisschen geht es den Japanern wie uns. Sowohl sie als auch wir haben einfach zu vage Vorstellungen von der Kultur der anderen Länder. Und eigentlich meinen es alle Japaner wirklich nur gut, nur manchmal ein bisschen zu gut.
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