Zurück in Tokushima – Hotel Mama
Da ich schon telefonisch vorangekündigt war, war das Ausfüllen der rein japanischen Anmeldeformulare relativ problemlos.
Stell dir das so vor: Da auf Shikoku die meisten Japaner nahezu kein Englisch sprechen, wurde eine Liste auf Englisch (von wem auch immer) erstellt. Diese wird den Nichtjapanern bei ihrem Eintreffen mühsamst vorgelesen. So wurde erfragt, um welche Zeit und was ich frühstücken möchte. Dann bekam ich einen Schlüssel für ein Zimmer im Lady Floor. Wie ich später erfuhr, durften auf dieser Etage nur Frauen übernachten. Wir Frauen hatten sogar einen eigenen Massageraum für uns.
Frühstücksvarianten:
Japanisch Style: z.B. Reis, Suppe, Fisch, Tofu, mir unbekanntes Gemüse, grüner Tee
Westliches Frühstück: Toast, Marmelade, Suppe, Salat, Obst, grüner Tee.
Zum Abendbrot gibt es Fisch, Reis, Suppe, Salat, Ei, Tofu, Gemüse und Tee oder Wasser.
Da stand ich nun in meinem Zimmer. Ich hatte ein hübsches, sauberes 2-Bett-Zimmer mit eigenem Bad bekommen. Es war für mich unglaublich, wieder ein Zimmer mit Bett und Badewanne zu haben. Weiße Bettwäsche – ich war einfach nur begeistert. Dennoch saß mir die Angst der letzten Woche tief in den Knochen. So durchsuchte ich das Zimmer erst mal nach Spinnen und Schlangen. Das Fenster machte ich zu, damit ja keine Mücken hereinkommen konnten. Dann schaltete ich die Klimaanlage ein und kühlte den Raum auf ca. 15°C herunter. Oh, wie gut das tat. Als nächstes nahm ich ein Bad. Auch wenn die Wanne für mich sehr winzig war, genoss ich es unsäglich. Und dann die Krönung für mich – im Hotel hatte ich Internetzugang – so lange und so viel ich wollte – und es kostete gar nichts.

Nachdem ich mich erfrischt hatte, lief ich los, um etwas zum Essen zu finden. Im Bahnhofsgebäude entdeckte ich eine Art Restaurant. Die Speisen waren in Plastik ausgestellt, so war die Kommunikation mit der Kellnerin relativ einfach. Anschließend gönnte ich mir noch ein Eis – wow, mir konnte es richtig gut gehen.
Ich wollte nur essen, schlafen, mich erholen und Kontakt mit der Heimat aufnehmen.
Den nächsten Tag verbrachte ich im Hotel. Normalerweise sind in Japan ALLE Hotels zwischen 10 Uhr und 15-16 Uhr geschlossen. Möglicherweise deshalb, weil alle Zimmertüren während der Reinigung geöffnet bleiben. Ich bat die Hotelmanagerin Sanae im Haus am Rechner in der Lobby bleiben zu können. Sie hatte Mitleid mit mir und ich durfte während der Schließzeit im Hotel bleiben.
Außerdem ließ sie meine Kleidung waschen. Nach dem reichlichen Frühstück hätte ich bis zum Abend auch nichts zu essen benötigt. Ich wollte einfach nur sitzen, mailen, schlafen und mich erholen. Als ich am Rechner saß und all meine Erlebnisse der ersten Woche in meinen blog schrieb, brachte Sanae mir Schokolade, Kekse, Cola und Tee. Ich wollte dies bezahlen, aber dass wollte sie nicht. Unglaublich diese Gastfreundschaft!
Mir war im Laufe der ersten Woche klar geworden, dass ich einfach Hilfe brauchte. So wie es bisher gelaufen war, konnte es nicht die verbleibenden Wochen weiter gehen. Irgendetwas machte ich falsch. Also holte ich mir Tipps bei meinen Freunden und im Internet.
Noch einmal zum Tempel 1: Kauf des 88-Route-Guide
Am nächsten Tag wollte ich noch einmal zum Tempel 1 fahren. Mario aus der Touri-Info hatte mir das Prinzip der Züge auf Shikoku erklärt. Es war logisch aufgebaut. Jede Zuglinie hatte eine eigene Farbe und die Haltestellen waren von Anfang bis Ende durchnummeriert. Man musste also nur herausfinden, in welche Richtung man wollte. Von Britta bekam ich noch eine Übersicht der Shikoku Züge auf Englisch und Japanisch. So waren die Kanji der Haltestellen kein Handicap mehr für mich.

Ich fuhr mit dem Zug bis zu der Haltestelle, welche dem ersten Tempel am nächsten war. Dort angekommen stand ich wieder vor der Frage, wo ist der 1. Tempel? Da ich keine Pilgermännchen-Wegmarkierungen fand, fragte ich mich durch. Die 3 Japaner, die ich befragte, blickten mich zweifelnd an. Dann verstand ich – am Straßenrand war eine grüne Linie gemalt worden und diese führte direkt zum ersten Tempel…

Es war schon ein eigenartiges Gefühl wieder hier zu sein, die Erinnerungen der letzten Tage hatten sich tief in mir eingebrannt. Ich kaufte mir den empfohlenen englischsprachigen „88 Route Guide“ und fuhr wieder mit dem Zug heim nach Tokushima in das Hotel.
Als ich den Reiseführer studierte, war ich völlig fassungslos. Darin waren Wanderkarten mit Supermärkten, Geldautomaten und Hotels verzeichnet. Ich verfolgte meinen Weg von der ersten Woche und stellte fest: Oft befanden sich diese von mir heiß ersehnten Einrichtungen auf der Parallelstraße oder ich hätte nur in eine Seitenstraße einbiegen brauchen!!! Tja wer lesen kann, ist klar im Vorteil – diese Infos standen bestimmt auch in meinem japanischen Atlas.
Geldautomaten auf Shikoku
Leider musste man auch im Hotel die Übernachtung mit Bargeld bezahlen, welches mir nun langsam, zur Neige ging. Also lief ich los, um einen Geldautomaten zu finden. Abgesehen davon, dass diese nur zu den Banköffnungszeiten „geöffnet“ sind, gaben die mir aber kein Geld! Ich suchte weiter.
In einem Kaufhaus fragte ich einen Japaner. Ich zeigte ihm meine Geldkarte und bat ihn für mich Geld aus dem Automaten heraus zu locken. Von den nun mittlerweile bekannten skeptischen Blicken ließ ich mich nicht beeindrucken. Auch wenn der junge Mann lesen konnte, was da so auf dem Display stand, bekamen wir mit meiner Karte kein Geld. Was nun?
In Tokushima traf ich Patrick.
Es gibt in Tokushima sehr viele Restaurants und Kaufhäuser. So spazierte ich und sah mir alles an und aß am liebsten ohne Pause. Es war erstaunlich wie schnell sich mein Körper wieder erholte und ich wieder zunahm.
Bei einem meiner Spaziergänge kam mir ein europäisch aussehender Mann entgegen. Ich sprach ihn an und stellte mit großer Freude fest, dass er sogar Deutsch spricht! Sein Name war Patrick. Er war seit einer Woche in Japan, hatte ein paar Tage in Kyoto verbracht und wollte nun auf Shikoku bis zum Tempel 24 laufen. Leider ereilte ihn das gleiche Schicksal wie mich. So lief er am 1. Tag 30 km, ohne eine Übernachtung zu finden. Dadurch musste er nach Tokushima zurückkehren. Ich erzählte ihm von meinem Hotel und da er auch eine preiswerte Unterkunft suchte, folgte er mir dahin.
Anschließend gingen wir zusammen ins Touristenbüro. Patrick wollte die Bus- bzw. Zugverbindungen zu den nächsten Tempeln herausfinden. Ich erzählte Mario von meinem Problem, neues Bargeld zu bekommen. Und wir hatten Glück, Mario wusste von einem Geldautomaten im Bahnhof, der „mit uns sprach“. Das bedeutet – es gibt an dem Automaten eine grüne Taste = English Guide. Und an diesen ATM Automaten gibt es auch für Nichtjapaner Geld.
Arztbesuch in Japan
Ich war in der ersten Woche ziemlich heftig von der tropischen Tierwelt gequält wurden. Ich hatte zwei schwarze Punkte an meinem Körper entdeckt, die mich sehr an Zeckenbisse erinnerten. Dies erzählte ich Sanae und sie sah die Notwendigkeit eines Arztbesuches. Sie war so nett und vereinbarte einen Termin bei ihrem Arzt. Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Taxi zum Arzt. Es dauerte auch nicht lange und ich konnte zur Untersuchung ins Sprechzimmer. Im Wörterbuch zeigte ich ihm das Wort „Zecke“, was er jedoch verneinte. Da die Kommunikation rein auf Japanisch bei diesem diffizilen Problem doch recht schwierig für mich war, bemühten wir wieder Ryofu aus Tokyo. Mit großer Geduld dolmetschte er das Gespräch zwischen dem Arzt und mir. Dieser diagnostizierte, dass es möglicherweise Flohbisse waren.
Der Arzt wollte kein Geld von einer Pilgerin.
In Japan ist es üblich sofort nach dem Arztbesuch seine Rechnung zu bezahlen. Ich hatte ja eine Auslandskrankenversicherung und so machte ich mir keine Sorgen bzgl. der Kosten. Jedoch wollte der Arzt kein Geld von einer Pilgerin. Herzlichen Dank Herr Doktor für das Ossetai.
Die Fahrt mit dem Taxi war recht einfach, es ging lange geradeaus und dann bogen wir einmal nach links ab. Als Sanae mich wieder mit dem Taxi zurück ins Hotel schicken wollte, erklärte ich ihr, dass ich überzeugt bin, zu Fuß den Weg zurück zu finden. Aber irgendwie muss ich mich in der Himmelsrichtung geirrt haben. Es bedurfte sehr vieler Japaner und Zeit bis ich wieder wohlbehalten in meinem neuen Zuhause ankam.
Ich hatte mich auf Shikoku eingelebt!
Die Zeit der Erholung nutzte ich auch für meinen blog. Eines Tages, als ich mit meiner Arbeit am PC fertig war, verbeugte ich mich in japanischer Höflichkeit vor dem Computer! Ich hatte mich so an die Verbeugungen gewöhnt, dass ich dies jetzt auch schon unbewusst vor dem PC machte. Dazu müsst ihr wissen, dass jeder Japaner auf Shikoku, egal ob er alt oder noch jung war, sich unterwegs vor mir verbeugt hatte. Dies war sehr beeindruckend und berührend für mich.
Wieder einmal zog es mich in die Touristeninformation. Mario hatte Dienst und diesmal überzeugte er mich, dass es gut wäre für mich, Bibliotheksmitglied zu werden. In dieser Touri-Info gab es nämlich sehr viele Bücher (leider keine auf Deutsch). Um mir die Zeit zu verkürzen dachte er, dass ich einige davon lesen könnte. So wurde ich zur Besitzerin eines Bibliothekausweises von Tokushima. Wie man sieht, hatte ich mich hier eingelebt.
Abends gingen Patrick und ich mit Sanae und ihrer Schwester durch die Stadt spazieren. Sie hatten uns zu einer Stadtbesichtigung eingeladen. Einmal im Jahr findet in Tokushima eines der größten Tanzfeste Japans statt. Die Japaner trainieren dafür das ganze Jahr auf allen Straßen und Plätzchen. Dies schauten wir uns an, bevor wir mit der Seilbahn auf einen Berg fuhren, um das abendlich beleuchtete Tokushima zu bewundern. Dann gab es für alle noch ein Eis auf Kosten der Hotelmanagerin.

Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nicht, dass ich selbst an dem Fest teilnehmen würde.
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