Auf nach Wakayama – zum heiligen Berg.
Wieder hieß es am nächsten Morgen schweren Herzens Abschied nehmen von Sanae, vom Hotel Mama und Tokushima. Ich fuhr mit dem Bus zum Hafen und checkte ein. Es war ein großes Schiff, welches mich auf das „Festland“ bringen sollte. Lange Zeit sah ich zurück auf die Insel, war beeindruckt von der Größe und den hohen Bergen. Irgendwie war die ganze Pilgerreise schon wie ein Traum für mich. Irgendwie surreal…
Als die Insel ganz klein geworden war, sah ich nach vorn.
Was mochte mich erwarten? Hitomi hatte gesagt, dass ein älteres Ehepaar (70 und 75 Jahre) mich am Hafen von Wakayama abholen würde und dass die Beiden wüssten, wo sich Koya San befindet. Mehr wusste ich nicht.
Meine Gasteltern in Wakayama.
Am Hafen angekommen, wartete das Ehepaar bereits auf mich. Wir packten mein Gepäck ins Auto und sie meinten, dass ich vorn Platz nehmen sollte. Die Frau quetschte sich in den hinteren Teil des kleinen Autos. Das kam mir irgendwie seltsam vor, aber ich fügte mich einfach ihren Anweisungen.
Ab ging die Fahrt und ich versuchte mit ihnen zu kommunizieren. Diesmal war es noch schwerer, da die beiden Wakayama Slang, also sowas wie bayrisches Deutsch, sprachen. Das heißt, sie verwendeten meist die Wörterbuchform, und die ist völlig anders als das sonst gesprochene Japanisch.
Nach einer 10-minütigen Autofahrt erreichten wir unser Ziel – ein winzig kleines Haus. Der Mann betrieb im Erdgeschoss eine Wäscherei, also liefen wir geduckt durch die gewaschenen Sachen. Im 1. Stock waren das Wohnzimmer und das Schlafzimmer der Frau. Das Schlafzimmer war so klein, dass für den Mann kein Platz mehr war und er oben im 2. Stock schlafen musste.
Auch das Wohnzimmer war winzig und doch wurde es mir zur Verfügung gestellt. Mir wurde geheißen Platz zu nehmen. Nach ein paar Minuten brachte die Frau Tee und Kekse. Wir erzählten ein bisschen so gut es ging (es gab auch kein englisches Wörterbuch). Ich erfuhr, dass die Beiden schon einmal auf Shikoku waren und ein paar der Tempel besucht hatten.
Wakayama Stadtbesichtigung
Ich nahm an, dass Wakayama eine große Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten ist, deshalb wollte ich gern noch einmal losziehen und mich ein bisschen umschauen. Das Ehepaar versuchte dies mir auszureden. Da ich nicht locker ließ, schlugen sie vor, mit mir gemeinsam noch eine Runde zu fahren.
Ich war einverstanden, ließen sie mir doch keine andere Wahl. Da es nach Aussage des Ehepaares, keine Sehenswürdigkeiten in dieser Stadt geben sollte fuhren sie mit mir – na – zu einem Tempel. Ich kletterte mit der Frau hinauf (der Mann hatte Probleme mit seinen Knien und blieb – vorerst – unten).
Auf dem Weg gab es Souvenirstände – die Frau wollte unbedingt, dass ich mir etwas aussuche. Das Problem war die Bezahlung. Wir fanden niemanden, der uns das Geld abgenommen hätte. Auf dem Weg nach unten trafen wir den Mann wieder, er kam uns hinterher. Scheinbar hatte er keine Ruhe, uns allein zu lassen.
Dann fing es an „lustig“ zu werden. Ich musste mal „für kleine Mädchen“. Der Mann begleitete mich bis direkt vor die Toilettentür. Er wollte verhindern, dass ich mich verlaufe.
Mehr bekam ich von Wakayama nicht zu sehen, mehr gab es wohl nicht………….
Wieder zurück musste ich im Wohnzimmer warten, bis es Abendbrot gab. Es war das „übliche“ leckere japanische Essen. Ich aß voller Genuss, bis ich satt war. In Japan hatte ich mein Essverhalten vollkommen umgestellt. Bekam ich etwas zu Essen, aß ich solange bis alles, aber auch alles aufgegessen war. In Japan ist es (so glaube ich zumindest) eine Frage der Höflichkeit, alles aufzuessen und an diese Regel hielt ich mich gern. Aber hier bei diesem Ehepaar war dies unmöglich, weil es einfach zu viel zu essen gab. Obwohl ich erklärte und zeigte, dass ich vollkommen satt war, wurde ich aufgefordert „Iss!“. Also aß ich weiter…
Besuch des Onsen in Wakayama.
Neben der Küche befand sich das Bad. Ich sah, dass dies eine ganz kleine Nasszelle von vielleicht 1 m2 war. So wunderte ich mich auch nicht groß, dass wir in ein Onsen fahren wollten. Die Frau trug meinen Beutel mit dem Handtuch und ich musste wieder vorn im Auto sitzen. Der Mann fuhr sehr verkehrswidrig, worüber sich die Frau sehr deutlich beschwerte. Als wir auch noch einer Polizeistreife begegneten, wäre die folgende Diskussion jedem Leser in Europa bekannt vorgekommen.
Im Onsen angekommen, zog sie mir die Schuhe von den Füßen und der Mann schloss sie ein. Über Bezahlung des Eintrittes durfte ich nicht sprechen. Im Onsen vollzogen wir die mittlerweile bekannten Reinigungsrituale. Dabei ist zu bemerken, dass die Frau unbedingt in dem gleichen Becken wie ich baden wollte. Stets suchte sie sich auch einen Sitzhocker neben mir aus.
Als wir das Onsen verließen, sah ich, dass sich nebenan ein „Golfplatz“ oder besser ein „mehrstöckiges Golfhaus“ befand. Dieses hatte auf der einen Seite keine Hauswand im eigentlichen Sinne. Darin standen die Japaner verteilt und spielten ihre Bälle. Ich stand eine ganze Weile da und schaute fasziniert zu. Das verwunderte die Beiden, war doch diese Art von Golfanlage etwas ganz Normales für sie. Wieder zurück in ihrem Haus gab es noch gekochte Maiskolben. Irgendwie muss ich inzwischen schon recht seltsam auf sie gewirkt haben. Erklärten sie mir doch als erstes, dass man beim Maiskolben nur die Körner außen rum essen kann.
Nun war es Schlafenszeit. Mir wurde mein Futon aufgebaut, und zwar so, dass ich Kopf an Kopf mit der Frau schlafen konnte. Das wollte ich zwar nicht, aber Einwände wurden nicht akzeptiert. In der Nacht rückte ich dann doch in eine andere Ecke des Raumes. Über mir tickte eine Uhr und dadurch konnte ich nicht schlafen. Die Gastgeberin war am nächsten Morgen ziemlich empört darüber. Aber ich versuchte es ihr, so gut wie möglich, zu erklären.
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