Am 22.8.2009 war es soweit. Ich vollendete gemeinsam mit meinen japanischen Freunden den Pilgerweg von Kobo Daishi mit seinen 88 Tempel über 1280 km auf Shikoku.
Meine Gasteltern erklärten mir feierlich, dass es eine große Ehre für sie wäre, mich zu den letzten beiden Tempeln zu begleiten. Ja ihr hört richtig, sie sagten sie würden sich freuen, wenn sie mit mir kommen könnten.
Diese Tempel befanden sich mindestens eine Autostunde von unserem Tempel entfernt…
Schon sehr früh fuhren wir mit Etsuko und Kaori los. Etsuko ist eine ganz, ganz liebe Frau. Sie ist ständig in Bewegung und verbreitet gute Laune. Sie ist ein Organisationstalent und engagiert sich auch sozial. So spendet sie regelmäßig Geld nach Afrika. Einmal zeigte sie mir ein Dankesschreiben. Es waren Fotos der Einrichtung eines Klassenraumes, welches sie gesponsert hatte. Und dabei lagen auch Bilder, welche die Kinder für sie gemalt hatten.
Zuerst fuhren wir zu Tempel 87 und dann zum O Henro Centre.
Dort trafen wir eine Freundin meiner Gasteltern. Nach der gemeinsamen Verrichtung der religiösen Handlungen fuhren wir zum O Henro Centre – dem Pilgercenter. Ich hatte gehört, dass sich dort alle Pilger treffen. Sie tauschen ihre Erlebnisse aus und gehen dann gemeinsam zum Tempel 88.
Als wir dort ankamen, waren wir die Einzigen. Wo waren all die anderen Pilger? Sollten nicht pro Jahr eine Million unterwegs sein? Ich wunderte mich nicht mehr, war ich doch kaum jemandem unterwegs begegnet. Nein im tropischen Sommer nahmen nur sehr, sehr wenige diesen an sich schon anstrengenden Pilgerweg auf sich.


Wir fuhren weiter und da waren wir – am Tempel 88.
Wer hätte daran geglaubt? Nie im Leben hatte ich mir vorgestellt, die gesamte Runde zu absolvieren und auch wirklich zu schaffen. Ich war sicher etwas blauäugig losgezogen. Ich wollte mich die gesamte Zeit in der Nähe eines Tempels aufhalten und musste doch immer weiterziehen. Ich lernte, mich den Umständen anzupassen. Die erste Woche war lebensbedrohlich, bis ich den „Dreh“ raus hatte. Dennoch war es ein ziemliches Abenteuer, und ich habe oft genug gelitten. Nun war ich am Tempel 88…
Ich war ganz ruhig, überhaupt nicht aufgeregt. Gemeinsam führten wir wieder alle Zeremonien aus. Kaori fotografierte mich dabei. Dieser besondere Augenblick musste festgehalten werden. Wir verbeugten uns gemeinsam am Eingangstor. Dann wuschen wir uns gegenseitig die Hände. Wir zündeten uns gegenseitig die Kerzen und Räucherstäbchen an. Ich füllte meinen Wunschzettel aus und dann sangen wir gemeinsam das Herzsutra.
Ich war einfach nur fassungslos… Zum einen, dass ich – ICH tatsächlich alle Tempel vom 1. bis zum 88. gefunden hatte. Und diesmal war ich nicht einmal mehr allein… Es war so unglaublich schön, wie sich diese Menschen mit mir freuten. Von wegen die Japaner wären alle distanziert und unnahbar. Sicher gibt es auch solche. Aber ich kann das nicht allgemeingültig behaupten. Wir freuten uns über meine vollbrachte Leistung und umarmten uns.
In meinen Blog schrieb ich: Ich hab´s geschafft!!!
Ich hab es wirklich geschafft, ich habe alle 88 Tempel besucht!!!
Lasst mich einmal zurückschauen….
Da ich anfangs Orientierungsprobleme hatte, habe ich eine Uhr mit Kompass geschenkt bekommen. Außerdem habe ich mir ein Handy mit GPS-Funktion zugelegt. Mein Mann war so nett und hat mir in meinen japanischen Atlas sämtliche Koordinaten aller Tempel eingetragen. So hätte ich im Notfall die Tempel mit meinem Handy finden können.
Beim Landeanflug auf Osaka fliegt man direkt über die Insel Shikoku. Da wurde mir das erste Mal die Größe dieser Insel bewusst. Auch wenn ich wusste, dass der Pilgerweg ca. 1200 km lang ist, war ich schon etwas sprachlos, als das Flugzeug viele Minuten über die Insel flog.
In Osaka den Bus nach Tokushima zu finden, war Dank Ossi sehr leicht. Aber hier in Tokushima das Ryokan zu finden, dazu bedurfte es sechs Helfern (eigentlich hätte ich nur aus dem Gebäude raus und nach links gehen brauchen). Als ich das Ryokan verließ, um einmal (nur) um den Block zu laufen, habe ich als erstes die Koordinaten gespeichert. Das habe ich auch später immer so beibehalten.
Zum 1. Tempel fuhr ein Bus und der mitfahrende Pilger zeigte mir, wo der Tempel ist. Dann war der Weg relativ gut ausgeschildert. War ich an einer Kreuzung und wusste nicht recht weiter, kam stets ein Japaner, der mir half.
So bin ich eine Woche bis zum Tempel 17 über die Insel gepilgert. Als mir Ryofu empfahl wieder nach Tokushima zurückzugehen, war ich mir sehr sicher, dass dies das Ende meiner Pilgerreise bedeutete. Denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich die Runde noch einmal starten würde, um den Tempel 17 wieder zu finden. Mein Erstaunen war groß, als ich nur 2 Haltestellen mit der S-Bahn fahren brauchte, um wieder in Tokushima zu landen.
In Tokushima traf ich dann Patrick und fing an das hiesige Bus- und Zugsystem zu nutzen.
Wie viele Stunden saß ich in den letzten Wochen da und machte Pläne, wie ich weiter vorwärts komme. Es gab immer so viele Möglichkeiten. Welche war die Optimale? Entschied ich mich dann für irgendetwas, kam meist etwas dazwischen.
Dennoch kam ich immer weiter voran, ich fand Tempel für Tempel. Und ich benötigte immer weniger Hilfe. Manche Tempel fand ich dann sogar, ohne zu fragen. Der Weg ist im Uhrzeigersinn ausgeschildert und wenn es nötig war, ging es mit Karte und Kompass auch entgegen dem Uhrzeigersinn.
Und jetzt ist es geschafft, zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Bus, dem Zug, als Tramper und im Auto von Freunden habe ich den gesamten Weg absolviert und alle Tempel besucht.
Wer mich kennt, weiß wie stolz ich auf mich sein kann………………
Ich habe etwas Unglaubliches möglich gemacht.
Beim anschließenden gemeinsamen Mittagessen bekam ich einen wunderschönen Rosenkranz von allen geschenkt.
Nach dem Besuch des 88. Tempels fuhren wir noch nach Tokushima. Dort gab es einen besonders sehenswerten Vorort.
Abends kamen Etsuko und Kaori zum Essen.
Da es auch in diesem Tempel sehr warm war, bot uns Japanese mam an, dass wir in ihrem Wohntrakt in der klimatisierten Küche essen dürfen. Bisher wurde den beiden anderen Frauen diese Ehre auch noch nicht zuteil. Wir plauderten trotz der Sprachbarriere über viele verschiedene Themen. Unter anderem auch über Hiroshima. Es war nicht das erste Mal, dass ich gefragt wurde, ob ich denn auch dorthin fahren würde. Ich glaube, jeder weiß, wie tragisch der Atombombenabwurf gewesen ist. Eigentlich wollte ich mir die Folgen und das Erinnerungsmemorial nicht ansehen, doch spürte ich, dass ist ein MUSS. Man erweist damit den Japanern seinen Respekt.
Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen vom Paradies. Alles war erledigt, weswegen ich hierher gekommen war. Meine Tempeleltern schafften mich zum Bahnhof und uns standen die Tränen in den Augen. Wir hatten uns richtig lieb gewonnen. Auch wenn ich das Japanische nicht perfekt beherrschte und wir nach völlig anderen Regeln aufgewachsen sind, waren wir uns doch sehr nah gekommen. Ich setzte mich schweren Herzens in den Zug und fuhr nach Takamatsu. Und dann mit dem Bus nach Tokushima.
Zurück in Tokushima.
In Tokushima checkte ich natürlich im Hotel Mama ein, hier war ich ja inzwischen zu Hause. Ich nutzte wieder die Möglichkeiten des Internets, um meinen Blog und Emails zu schreiben. Natürlich wollte ich auch wieder mit meiner Familie chatten. Es war schon zum Schmunzeln. Ordnungsgemäß gab ich meine Kleidung zum Waschen ab und durfte wieder in der Yukata den ganzen Tag am Rechner sitzen.
Als ich meine Kleidung zurückbekam, suchte ich als erstes nach einer Möglichkeit der Sicherung meiner Bilder. Diese hatten inzwischen einen für mich unschätzbaren Wert bekommen. Das war glücklicherweise in einem Foto Shop kein Problem. Wenige Stunden später hielt ich vier CD´s in der Hand. Hatte ich wirklich so viele Bilder gemacht? Das war doch eher untypisch für mich? Ich versuchte ein paar Bilder von den CD´s auf meinen Blog zu laden, was aber mühsam und zeitraubend war.
An diesem Abend luden mich Sanae und ihre Schwester wieder zum Abendessen ein. Diesmal waren wir in einem leckeren italienischen Restaurant. Die beiden Frauen hatten zu viel Essen bestellt und ließen es sich dann für den nächsten Tag einpacken.
Am nächsten Tag wollte ich mit dem Ferry Boat in Richtung Koya San fahren und die Insel Shikoku verlassen.
Ich wollte weiter den Spuren von Kobo Daishi folgen. Wer war er?
Kukai (nach seinem Tod erhielt er den Namen Kobo Daishi) lebte von 774 bis 835 und ist im Tempel 75 (Zentsuji) auf Shikoku geboren. Er starb in Koya San und liegt dort in einem Mausoleum. Man sagt, er wäre nie gestorben. Deshalb stellen ihm die Gläubigen heute noch jeden Tag etwas zu Essen hin. In Koya San gibt es über 100 Tempel. Der Ort ist bekannt als das Hauptquartier der Shingon Schule des japanischen Buddhismus. Mount Koya ist einer der heiligsten Berge in Japan.
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