Japan Pilgerreise

Japan – Insel Shikoku – Reisebericht Teil XXI

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Am folgenden Tag wollte ich zum Tempel 83 laufen.

Hitomi sah mich etwas zweifelnd an. Hatte sie mir doch ein Fahrrad zur Verfügung gestellt. Alternativ konnte ich auch mit dem Bus zum Tempel fahren. Doch ich war eine Fußpilgerin, also wollte ich die ca. 20 km laufen. Leider ging der Weg immer an der Hauptstraße (ohne Fußweg) entlang. Da war es schon etwas demotivierend, am Straßenrand durch die pralle Sonne zu laufen. 

Da ich den Pilgerweg auch in der falschen Richtung lief, hatte ich zusätzlich Probleme die „helfenden wegzeigenden Pilgermännchen“ zu finden. Ich lief also eine Strecke und versuchte für den Rückweg einen angenehmeren Weg zu finden. Leider gab es keine Alternative. Bedrückt nahm ich letztendlich doch den Bus und fuhr wieder zurück nach Takamatsu. Diesmal kaufte ich etwas Gebäck für meine Gastgeber, welches die Kinder auch gern verspeisten.

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Tempel 83

Hitomi, kann ich noch zwei Nächte bei dir bleiben?

Abends fragte ich Hitomi noch einmal, ob ich denn eventuell noch zwei Tage bleiben könnte. Denn ich wollte gern noch die Tempel 78 bis 82 von Takamatsu aus besuchen. Ich zeigte ihr in der Karte meinen Plan und sie war einverstanden.

Es war schon seltsam. Einerseits war ihr wichtig, dass ich mich ganz allein kümmerte. So wurde ich beispielsweise auch nicht zum Abendessen eingeladen. Andererseits erzählte sie mir, dass sie gemeinsam mit Freunden ein Netzwerk quer über die Insel aufbauen wollte. Das Ziel war es, Nichtjapanern das Pilgern zu erleichtern. So fragte sie mich, wo es meiner Meinung nach wichtig wäre, dass die Pilger eine Unterkunft fänden.

Am nächsten Tag konnte ich nun auch noch den Tempel 82 erklimmen. Dieser liegt noch weiter weg von Takamatsu als Tempel 83. Daher fuhr ich erst mit dem Bus und lief dann noch eine Stunde bergan. Ohne den schweren Rucksack war das Laufen fast angenehm.

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Tempel 82

Kann man die Tempel auch in umgekehrter Reihenfolge besuchen?

Nach dem Verrichten meiner Gebete am Tempel hatte ich zwei Möglichkeiten. Entweder lief ich wieder zurück, um mit dem Bus nach Takamatsu zu fahren. Oder ich versuche entgegen dem Uhrzeigersinn vom Tempel 82 zum Tempel 81 zu trampen. Die Wahrscheinlichkeit jemanden zu finden sah ich als relativ gering an. Laufen hätte ich zeitlich nicht geschafft, da ich ja auf die Busfahrzeiten angewiesen war, um wieder nach Takamatsu zurück zu kommen.

Und die nächste Hürde wäre dann, wieder jemanden zu finden der vom Tempel 81 zum Tempel 82 fuhr. Vom Tempel 81 sah ich erhebliche Probleme zu Fuß den Weg zur nächsten Bahnstation zu finden. Die Pilgerweg- Ausschilderung ist im Uhrzeigersinn schon schwierig zu finden. In der Gegenrichtung und dann noch in den Bergen sah ich es als unmöglich an. Und wenn ich zum Tempel 82 zurück zu Fuß gehe, wäre mein letzter Bus weg gewesen.

Aber ich dachte, versuchen kann ich es ja mal. Nach einer halben Stunde warten, hielt ein Auto und die Familie nahm mich mit. Damit war die erste Hürde geschafft. Zurück vom Tempel 81 zum Tempel 82 dauerte es auch nicht lange, da mehrere Autopilger unterwegs waren. Vom 82er musste ich dann doch zum Bus rennen, aber dafür hatte ich zwei Tempel an diesem Tag besucht.

Zurück in Takamatsu besuchte ich noch das Schloss und kaufte diesmal Wein für meine Gastgeber.

Klingt easy, aber ich hatte keine Ahnung, was ich kaufen sollte, da ich die Kanji nicht lesen konnte. Ich entschied mich, die Auswahl am Preis fest zu machen. Für ca. 10 Euro müsste der Wein doch trinkbar sein, oder?

An diesem Abend wurde ich zum Abendbrot eingeladen. Ich hatte zwar schon irgendein Dauergebäck verspeist, aber was solls. Gibt’s was zu essen, dann esse ich, egal ob ich Hunger habe oder nicht. Alles andere wäre unhöflich gewesen.

Vielleicht noch mal kurz zur Ausstattung von Hitomis Haus.

Die Küche war eine sogenannte amerikanische Küche, also nur ein Tresen trennte die Küche vom Wohnzimmer. Nun sind die Japaner für uns der Inbegriff von High Tech. No, No – in der Küche gab es keinen Geschirrspüler, keine Mikrowelle, nur einen Gasherd mit Fischbackfach, aber ohne Backröhre. Das Geschirr wird unter fließendem Wasser abgewaschen.

Interessant fand ich die Toilette. Natürlich beheizbar und mit verschiedenen Knöpfen. So genau weiß ich nicht, was man alles damit machen konnte. Das Risiko einen falschen Knopf zu drücken und mich zu blamieren war einfach zu groß. Die Hände wäscht man sich in einem Becken hinter der Toilette. Das „Abwasser“ vom Händewaschen wird beim nächsten Toilettengang verwendet, da es direkt in den Spülkasten läuft.

Das Bad war ziemlich groß. Der Raum zum Duschen war extra abgeteilt. Im Vorraum gab es ein sehr großes Waschbecken und da stand auch die Waschmaschine.

Auch die Technik im Wohnzimmer hatte ich mir wesentlich moderner vorgestellt. Großer Fernseher ja, aber es gab keine moderne Musikanlage und auch nur einen uralten DVD-Player. Der PC, den ich nutzte, war mehr für die Kinder gedacht und auch ziemlich alt. Die Kinder machten meist Spiele daran. Hitomi hatte ihnen angewiesen, dass sie mich auch mal ran lassen sollen.

Besuch der letzten Tempel im Umkreis von Takamatsu.

Am nächsten Tag ging ich wieder auf Pilgertour. Diesmal fuhr ich mit dem Zug in die Nähe des Tempel 78. Von dort waren es sechs Kilometer zum Tempel 79. Weiter ging es mit dem Zug zum Tempel 80 und zurück.

Da ich nun alle Tempel um Takamatsu besucht hatte, gab es für mich hier nichts mehr zu tun. Hitomi hatte für mich einen Tempel in der Nähe von Tadotsu ausfindig gemacht. Dieser befand sich in der Nähe der noch nicht besuchten Tempel 71 bis 77. Angeblich könnte ich kostenlos ein paar Tage bleiben. Das wunderte mich zwar gewaltig, kannte ich doch mittlerweile die Tempelübernachtungspreise. Das Problem dabei war, dass die Tempelleute nur Japanisch sprachen. Also beschloss Hitomi, über mich eine Art Steckbrief zu schreiben. Auf diesem standen die wichtigsten Daten über mich.

Auf nach Hazama – leben in einem Tempel!

Am nächsten Morgen ging es los. Wir waren nur eine Minute vor Abfahrt des Zuges am Bahnhof – typisch Hitomi – und dann saß ich im Zug. Ich hatte inzwischen das JR (Japan Rail) Zugsystem auf Shikoku ganz gut begriffen. Man konnte sich an den Haltestellennummern orientieren. So wusste ich vorher, wenn ich aussteigen muss.

Diesmal war es eine private Bahn. Also war alles nur noch in Kanji ausgeschildert. Das bedeutet, man muss sich an der Haltestelle ganz schnell orientieren, wo man ist. Hitomi hatte allerdings selbst keine Ahnung wie das Kanji ausgesprochen wurde, wo ich aussteigen musste! Sie hatte mal gehört, dass dies Hazama hieß! Ich sollte am Bahnhof abgeholt werden. Also musste ich an der richtigen Haltestelle aussteigen. Ich gebe zu, dass ich schon ganz schön aufgeregt war.

In der Hoffnung an der richtigen Haltestelle ausgestiegen zu sein, stand ich nun auf dem Bahnsteig. Ich schaute gespannt, wer mich abholen würde. Es war jedoch niemand da.

Dann entdeckte ich eine Frau in Schwarz auf dem Parkplatz gegenüber. Ich lief hin, sie begrüßte mich freundlich. Dann gab ich ihr meinen „Steckbrief“ und sie meinte ich solle mein Gepäck ins Auto laden.

Während der Fahrt versuchte ich mir die Fahrstrecke einzuprägen. Ich ging davon aus, dass ich allein wieder zum Bahnhof zurückfinden muss. Aber die Frau bog ständig ab, so dass es mir gruselte. Die Straßen wurden immer schmaler, bis wir durch eine sehr schmale Einfahrt preschten. Ich vermutete, dass sie das schon oft geübt haben musste. Wir hielten in einem Park und da drin stand ein Tempel, der 2000 Jahre alt sein sollte.

Mein eigenes Zimmer im Tempel.

Wir gingen hinein – ordentlich die Schuhe ausziehen – und dann standen wir in einer großen Küche. Die Frau führte mich nach links und meinte, dass wäre mein Zimmer. Wenn man an allen 3 Seiten die Papiertüren zuzog, hatte ich einen etwa 9 m2 mit Reisstroh ausgelegten Raum, wo mein Bettzeug aufgestapelt war. Nun gab sie mir zu verstehen, dass ich jetzt zum Essen kommen sollte, weil der Chef gleich kommt. Daraus schlussfolgerte ich, dass sie die Angestellte vom Tempelbesitzer sein musste. Zum Essen kam noch eine sehr alte Frau dazu.

Die Drei sprachen fast kein Wort Englisch. Sie hatten aber ein Englisch- Japanisches Wörterbuch für mich besorgt. Ein bisschen musste ich schmunzeln, denn ein solches Wörterbuch setzt voraus, dass ich Englisch beherrsche.

Nach dem Essen bekam die Frau (künftig als Japanese mam bezeichnet) eine SMS. Sie zeigte mir diese und da stand auf Englisch, dass wir jetzt losfahren und Kaori besuchen würden. Das konnte ja lustig werden.

Mit Hilfe von Kaori erzähle ich meine Pilgererlebnisse.

So machten wir es dann auch tatsächlich. Tempelmama und ich setzten uns ins Auto und fuhren zu Kaori. Sie war mit einem Londoner verheiratet und hatte einige Zeit in London gelebt. Da die Ehe schief ging, kam sie zurück nach Japan. Jetzt arbeitet Kaori im Kommunikationszentrum, wo sie z.B. Reisen für alte Leute organisiert.

Nun hieß es berichten von den Erlebnissen der vergangenen Wochen. Kaori übersetzte alles ins Japanische. Japanese mam schüttelte immer wieder den Kopf, während Kaori sich köstlich amüsierte. Ich war noch viel zu bewegt von allem, als das ich hätte ihr Lachen verstehen können. Japanische Höflichkeit hin und her – ich sagte ihr dies. Da wurde sie sehr ernst und meinte „Das Ganze wird eine Erfahrung für dein Leben sein, aber eben erst hinterher. Und du kannst stolz auf dich sein. Es ist nicht sonderlich intelligent bei der Hitze zu laufen. Jedoch hast du Japan ganz anders kennen gelernt als alle anderen Besucher.“ Ich schaute sie an und ließ ihre Worte erstmal sacken. Dann lernte ich eine neue Vokabel „Wotaschi wa sugoi des – Ich bin spitze.“

In meinem neuen Zuhause gab es keinen PC. Daher versuchte ich Kaori zu überzeugen, mir zu helfen. Ich will Wege finden, wie ich die hiesigen Tempel besuchen kann. In Kaori´s Büro arbeitete auch ein Mann, welcher die Tempel der Umgebung kannte. Es entwickelte sich folgender Dialog:

Wie komme ich zu den Tempeln?

Er sagte zu mir: „Du musst da und da hin mit dem Bus fahren“.
Ich fragte: „Ja aber wann fahren die Busse?“.
Er antwortete: „Keine Ahnung, musst du an der Haltestelle nachschauen.“
Ich erwiderte traurig: „Aber ich kann die Kanji nicht lesen! Und die Busse fahren nur 2-3 Mal am Tag“.
Unbeeindruckt antwortete er: „Na dann musst du laufen. Am besten läufst du die Tempel nicht im Uhrzeigersinn, andersrum ist es günstiger.“
Diese Ruhe und Gelassenheit brachten mich zur Verzweiflung.

Ich versuchte ihnen meine Orientierungsprobleme anhand der 1. Hotelsuche in Tokushima zu beschreiben. Wieder erntete ich nur ein Lachen.

Auf jeden Fall bemühte sich niemand, mir auch nur einen Bus heraus zu suchen. Kaori meinte „Mach dir keine Sorgen, alles wird gut“. Ich hatte keine Ahnung wie das gehen sollte, hatte aber auch keine Alternative, also fügte ich mich.

Zurück im Hazama Tempel schaute ich mich erst einmal um. Der Tempel inklusive Gäste- und Tempelleute-Wohntrakt hatte eine Grundfläche von ca. 300 m2. Ich hatte ein eigenes Bad, eigene Toilette (mit Toilettenschuhen bei 2 m2 Grundfläche), durfte in dem Tempel und auch rings herum spazieren gehen. Das tat ich und stellte fest, dieses Gelände stellte ein wahres Paradies für Tiere aller Art dar.

Ich entdeckte Spinnen auch im Tempel.

Ich schnappte mir einen Schuh und die Tempelfrau und bat sie – die Spinne zu töten. Sie lachte mich aus und meinte, die Spinne wäre hier zu Hause und würde die Moskitos fressen. Da die Spinne hinter dem Klavier direkt neben meinem „Zimmer“ lebte, machte ich mir Sorgen. Ich sagte zu der Tempelfrau „Wenn sie nun aber nachts herauskommt und über mein Gesicht läuft?“. Japanese mam amüsierte sich köstlich und erzählte künftig allen, die wir trafen, diese Geschichte.

Um mich wieder friedlich zu stimmen, gab sie mir ein Gefäß mit Weihrauch und meinte, dass würde Spinnen und Moskitos fernhalten. Vorsichtshalber beschloss ich, die Tür in Richtung Klavier ständig geschlossen zu halten. Und ich suchte jeden Abend meinen Raum nach Getier ab. An einem Abend erschreckte ich dennoch fast zu Tode. Ich lief den halbdunklen Gang zum Bad entlang, als plötzlich etwas von der Decke herunter sprang. Ich schrie wie am Spieß, aber niemand kam mir zu Hilfe. Nun da musste ich mir also selbst helfen und machte Licht, um herauszufinden, was denn das gewesen war? Ich entdeckte eine Eidechse. Ich war zwar erleichtert, aber dennoch beunruhigt. Es hätte auch eine Schlange oder sonst was sein können.

Später erkundigte ich mich bei den Tempelleuten, ob sie mich gehört hätten? Die Antwort war:  Ja ja..

Spinnen sind erlaubt, aber Kakerlaken sind verboten!

Da ich nun einmal wieder bei der japanischen Tierwelt bin, möchte ich gleich noch erwähnen, dass Kakerlaken im Tempel verboten waren und gejagt wurden.

In diesem Zusammenhang sei aber auch gleich von einer mehr als handtellergroßen Spinne berichtet, welche mir vom Dachgestühl direkt ins Genick sprang. Dieses Monster (ich spürte noch Tage später die Einstiche der Beine auf meinem Nacken) hat selbst den Tempelvater verschreckt. Die Spinne lief auch gleich noch schnurstracks in mein Zimmer und versteckte sich dort. Zum Glück hatten wir gerade eine Frau zu Besuch, welche sich traute, dass Tierchen wieder nach draußen zu befördern. Da es bei dem Tempel überall nur Schiebetüren und Schiebefenster gab, beruhigte mich dieser Rauswurf nicht übermäßig.

Sei es wie es sei, mal von der tropischen Tierwelt abgesehen, war ich im Paradies gelandet. Ich spürte, dass ich willkommen war. Hatten die Tempelbesitzer auch noch nie im Leben (so eine verrückte) Deutsche gesehen. Sie bemühten sich wirklich sehr um mich. Ich bekam jeden Tag drei leckere Mahlzeiten, da sich der Tempelvater vorgenommen hatte, mich wieder aufzupäppeln. Er hatte einen süßen Humor. Als er erfuhr, dass ich Vegetarierin bin, verkündete er, er sei das jetzt auch. Ich durfte bei der Essenzubereitung mithelfen und auch mit abwaschen. Auch wenn es für die Leser komisch klingen mag, ich war stolz darauf, mit dabei sein zu dürfen.

Zum Abendessen kamen noch Etsuko (eine Freundin) und Kaori. Noch einmal wurden meine Erlebnisse ausgetauscht. Tempelvater und Etsuko kannten sie ja noch nicht. Anschließend schwatzten sie noch eine ganze Weile und ich saß einfach mit dabei.

Dabei vereinbarten die Frauen, dass wir gemeinsam am nächsten Tag ein paar Tempel besuchen würden. Oh – sollte so die Lösung aussehen?


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Zusammenfassung
Name des Artikels
Takamatsu
Beschreibung
Mein Reisebericht - Pilgern in Japan. Takamatsu, Teil XXI meiner Pilgerreise auf Shikoku.
Autor
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Marketing Dresden