Japan Pilgerreise

Japan – Insel Shikoku – Reisebericht Teil XX

Japan Pilgerreise Shikoku T20 1

Tanzfest Awa Odori

Am Nachmittag lief ich los, um mir dieses besondere Ereignis anzusehen. Es war einfach unglaublich. Überall waren Tribünen aufgebaut und die ganze Stadt war voller Menschen.

Zuerst wollte ich mir ein Eis kaufen. Bei Mc Donalds ist es lecker und meist preiswert. Ich versuchte der Verkäuferin zu erklären „Ein Eis mit doppelt Schokoladensauce bitte“. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man diese Bestellung interpretieren kann. Die Verkäuferin entschied sich für „1 Eis ohne Schokoladensauce und 2* Eis mit Schokoladensauce – also 3 * Eis“. 3* Eis war doch etwas viel selbst für mich. Dies war kein Problem für die Frau. Ein Eis nahm sie wieder zurück und erstattete mir das Geld. So schlemmte ich 2* Eis, was bei den Temperaturen auf jeden Fall wohltuend war.

Ich lief weiter durch die Stadt, überall führten Gruppen ihre Tänze vor. Mich faszinierte besonders, dass Menschen aller Altersgruppen – zwischen 3 und 80 Jahren mittanzten. Und jeder der Spaß hatte, machte mit. Ob dick, ob dünn – attraktiv oder eher unscheinbar- alle tanzten mit. Da alle Gruppen auf der Hauptstraße an einem Umzug teilnahmen, suchte ich mir einen Platz auf einer der Tribünen und beobachtete das Spektakel.

PS: Die Qualität der Videoclips bitte ich zu entschuldigen. Ich war 2009! auf Pilgerreise und hatte daher keine hochwertige Videoausrüstung dabei. Ich denke, für einen ersten Eindruck ist die Qualität ausreichend.

Von jeder Stadt Japans war eine Formation gekommen. Angeführt wurde diese Formation von einer Frauengruppe, welche einen sehr streng choreografierten Tanz zeigte. Die zweite Gruppe bildeten meist junge Männer, welche sehr dynamisch tanzten. Zum Schluss kamen die Musiker mit ihren teilweise sehr lauten Instrumenten, welche den Rhythmus vorgaben.

Japan – Shikoku – Tokushima – Awa Odori

Jede Stadt hat ihre eigenen Interpretationen der sehr ähnlichen Rhythmen.

Japan – Shikoku – Tokushima – Awa Odori

Je nach Stadt führten die Gruppen diese in ihren eigenen Kleiderfarben vor. Manche Male wurden die Gäste aufgefordert mitzutanzen. Sie taten dies, unabhängig davon, ob sie den Tanz beherrschten oder nicht. Keiner lachte einen anderen aus. Alle Menschen tanzten, sangen und waren einfach glücklich. Für mich als Deutsche war dies einfach unfassbar. Besonders beeindruckend fand ich, mit welcher unglaublichen Freude und welchem Enthusiasmus sie über Stunden die körperlich anstrengenden Tänze bei dieser Hitze aufführten. Die Japaner schienen unglaublich stolz darauf zu sein, hier mit den übers Jahr einstudierten Tänzen dabei sein zu können.

Japan – Shikoku – Tokushima – Awa Odori

Man sagt manchmal den Japanern nach, dass sie sehr angepasst wären und kaum Gefühle, egal ob Freude oder Trauer, zeigen. Ich selbst hatte dies auch inzwischen oft genug erlebt. Als ich die Japaner nun so ausgelassen sah, vermutete ich, dass sie über den Tanz ihre Gefühle rauslassen.

Irgendwann verließ ich die Tribüne und spazierte durch die mittlerweile abendliche Stadt. Und ich sah in vielen Gassen und auf vielen Plätzen die Gruppen und Gäste mit Begeisterung tanzen und singen. Ich wurde von Schulklassen interviewt und von den Künstlern gebeten mit aufs Foto zu kommen. Das tat ich natürlich gern, gab es mir doch die Gelegenheit, auch die Japaner offiziell zu fotografieren. Meist hatte ich den Eindruck, dass dies eher nicht gewünscht ist.

Spät abends fiel ich ins Bett, voller Sprachlosigkeit über die Japaner. Und in meinen Ohren klang noch der Rhythmus der Musik.

Ich fahre mit Hitomi nach Takamatsu.

Am nächsten Morgen hieß es wieder Abschied nehmen von Sanae und dem Hotel. Dann ging ich los zum vereinbarten Treffpunkt am Bahnhof. Ich wartete eine lange Zeit und wurde bereits etwas unruhig. Hatte ich Hitomi mit dem Treffpunkt richtig verstanden? Mit einer halben Stunde Verspätung kam sie dann doch angerast. Da an diesen Platz eigentlich Halteverbot war, habe ich schnellstens mein Gepäck in ihr Auto gestopft und schon ging es los.

Hitomi ist wie ich um die 40 und hat 3 große Kinder. Sie betreibt mit ihrem Mann gemeinsam eine Psychotherapiepraxis. Wir hatten sehr viel zu erzählen, zuerst natürlich von meinen Erlebnissen während der Pilgerreise, dann aber auch über Lebensphilosophien und Gemeinsamkeiten der Deutschen und der Japaner. Die Fahrt war dadurch sehr kurzweilig.

Unterwegs machten wir einen Stopp bei ihrer „Kirche“. Sie, genauso wie Mine, vertreten den Glauben von Ryuho Okawa „Happy Science – Glückliche Wissenschaft“. Man sagt, es sei eine Sekte, aber wie ich schon erläuterte, ist der negative Touch mehr eine deutsche Sichtweise. Im Tempel besuchte Hitomi einen „Gottesdienst“ während ich in der Halle auf einer gemütlichen Couch wartete.

Anschließend gab es Mittagessen für einen Unkostenbeitrag und jeder musste sein Geschirr selbst abwaschen. Ich war lange genug in Japan, um zu wissen was ich tun muss. Zuerst genau hinschauen, wie Hitomi das Geschirr abwäscht, um es ihr korrekt nachzumachen. Ich stellte fest, wichtig ist es in Japan, viel Spülmittel und viel Wasser zu verwenden. Abtrocknen brauchte man nicht, aber die Reinigung und das Ausspülen der drei Schüsseln dauerte etwa fünf Minuten.

Weiter ging die Fahrt zu den Tempeln des Kobo Daishi.

Hitomi hatte mir angeboten, gemeinsam mit mir die Tempel, welche auf dem Weg nach Takamatsu lagen, zu besuchen. Das war mir natürlich recht, auch wenn ich schon längst einen Plan in der Tasche hatte. Pläne sind immer gut, auch wenn sie dann über den Haufen geworfen werden. So kam es, dass ich neben den Tempeln 1 bis 70 und nun auch die Tempel 86, 85 und 84 besuchte. Beim Tempel 85 hatte selbst Hitomi Probleme den Haupttempel sowie die Stempelstelle zu finden.

Und ich traf die japanische Pilgerin Judi noch einmal wieder. Diesmal in Begleitung von zwei jungen Männern. Sie sah wieder glücklicher aus. Da ich ihr Zeitlimit kannte, wusste ich, dass sie die letzten drei Tempel noch schaffen würde.

Zum Tempel 84 führt eine Straße, auf welcher man wunderschöne Ausblicke auf Takamatsu und die Berge hat. Deshalb muss Straßenmaut bezahlt werden. Wir erreichten den Tempel um 16.58 Uhr. Leider war die Stempelstube schon geschlossen. Was nun? Noch einmal hier hoch fahren? Wir liefen um das Haus rings rum und fanden den Hintereingang. Wir fragten nach einem Stempel für mein Pilgerbuch und der Tempeldiener war so nett, seine Schreibstube noch einmal für uns zu öffnen.

Wo kann ich in Takamatsu übernachten?

Hitomi und ich hatten die gesamte Zeit über nett miteinander geplaudert, aber das Thema Übernachtung hatte sie nicht angeschnitten. Mine hatte zwar gesagt, dass ich ein paar Tage bei Hitomi bleiben könnte. Da Hitomi es jedoch von sich aus nicht ansprach, wollte ich nicht direkt fragen. Ich wusste, dass es in Takamatsu eine Jugendherberge gibt, war dort jedoch nicht angemeldet. So fragte ich Hitomi, ob sie mich denn per Telefon anmelden könnte. Das tat sie auch sehr gern für mich, leider war die Herberge ausgebucht. Sie rief noch in ein paar anderen Hotels an, aber alle waren voll belegt, da für diesen Abend ein Feuerwerk in Takamatsu angekündigt war. Was nun?

My house is a mess.

Also fragte ich Hitomi mit meinem höflichsten Englisch, ob ich denn bei ihr schlafen könnte. Hitomi bedauerte, aber ihr Haus sei ein „Mess“. Ich überlegte – Mess, Mess, Mess – sollte das mit „Messie“ übersetzt werden können? Was könnte dieses Wort denn sonst auf Deutsch bedeuten? Ich hatte keine Idee. Also verkündete ich, dass „Mess“ für mich gar kein Problem sei. Hitomi sah mich skeptisch an. Ich wurde etwas unruhig. Worauf ließ ich mich jetzt wieder ein?

Dann erzählte sie, dass ihre drei Kinder stets ihre Kleidung und Schulsachen überall herum liegen ließen. Aha, also ging das doch bloß in die Richtung Unordnung? Damit könnte ich leben. Ich erklärte ihr, dass meine Tochter und mein Mann auch ziemlich unordentlich wären. Wenn ich nicht ständig bei uns zu Hause aufräumen würde, würde auch völliges Chaos herrschen. (Meine Familie möge die Notlüge verzeihen.) Sie sah mich wieder an, lächelte und schwieg. Dann ging sie noch einmal zum Telefon und kündigte uns bei sich zu Hause an. Für heute war damit meine Übernachtung gesichert. Ich fragte sicherheitshalber auch nicht, wie lange ich bleiben könnte. Das Haus wollte ich mir erst einmal ansehen.

Von außen sah das Haus recht unscheinbar aus. Im Eingangsbereich standen sehr viele Schuhe und im Wohnzimmer waren überall Sachen verstreut. Dennoch war eine gewisse Grundordnung zu erkennen. Es herrschte einfach nur Unordnung. Jedes der Kinder hatte seine Sachen auf dem Boden verteilt. Das große Mädchen Karin (18 Jahre) hatte ein eigenes Zimmer. Sie wollte dort jedoch nicht allein schlafen. So schlief sie stattdessen im Zimmer ihrer Brüder (14 und 16 Jahre). Hitomi meinte, dass ich in Karins Zimmer heute Nacht schlafen dürfte.

In der Zwischenzeit hatte ich schon eine ganze Menge japanische Verhaltensregeln gelernt, aber wie verhält man sich in einer japanischen Familie?

Ich beschloss mich erst einmal im Wohnzimmer an den Tisch zu setzen, zu lächeln und abzuwarten. Die Kinder sprachen kein Englisch und Hitomi verschwand. Also wartete ich ab, der Fernseher lief und ich schaute mir Trickfilme an. (Während der nächsten Tage stellte ich fest, dass die „Kinder“ ausschließlich Trickfilme sahen.)

Als Hitomi wenig später zurückkam, eröffnete sie mir die Idee, ich könnte heute Abend zu dem Feuerwerk gehen. Sie könne jedoch nicht mitkommen, weil sie arbeiten muss. Ihr Mann und die Kinder wollten auch zum Feuerwerk gehen. Es gab jedoch keine Einladung das Spektakel gemeinsam zu besuchen. Da ich auch kein Abendbrot hatte, ließ ich mir erklären, wo sich Hitomis Haus in Takamatsu befindet und zog dann allein los.

Naja, allein so kann man das auch nicht wirklich nennen, es waren Unmassen Menschen unterwegs. Mich beeindruckte, dass viele junge Leute ihre traditionellen Kleidung – also die Frauen den Kimono und die Männer diesen (sehr eigenartigen) Anzug zusammen mit den Holzsandalen – trugen. Ich fand auch ein Plätzchen zwischen den Japanern, wo ich mich niederlassen konnte, um das Feuerwerk zu genießen.

Was unterscheidet ein europäisches Feuerwerk von dem Japanischen?

Es fängt auf die Minute an und dauert exakt eine Stunde. Die Effekte würde ich als sehr ähnlich bezeichnen. Wie immer kam ich ins Gespräch mit den Leuten. Diesmal war es eine Familie, welche auf einer Insel gleich vor Takamatsu lebt. Sie meinten, ich solle da mal unbedingt hinkommen. Jedoch war der Mann absolut kriegsbegeistert, was mich dann doch abschreckte. Ich fand problemlos wieder zurück zu Hitomis Haus, worüber ich mich sehr freute. Immerhin hat Takamatsu nahezu eine halbe Millionen Einwohner.

Als ich Hitomi im Haus traf, fragte ich sie, ob ich denn eventuell noch eine oder zwei Nächte bleiben könnte?

Dann könnte ich am nächsten Tag eine Sightseeing Tour durch Takamatsu und am übernächsten Tag den Tempel 83, welcher sich in der Nähe befand, besuchen. Sie war einverstanden, meinte aber, ich müsse mich allein kümmern, wie in einem Hotel, sie hätte keine Zeit. Woran lag das? Hatte ich einen nicht verzeihbaren Fehler begangen? Waren es die typischen Berührungsängste mit Nichtjapanern? War es typisch für Japaner? Aber wir hatten uns doch so gut während der Fahrt verstanden? War mein Englisch unfreundlich gewesen? Es gibt auf jeden Fall Feinheiten in der englischen Sprache, welche ich nicht beherrsche. Ich hatte keine Ahnung.

Hitomi bot mir ein Fahrrad an, welches im Moment ungenutzt war. So ging ich am nächsten Tag wieder unter die Fahrradpilger. Irgendwie genoss ich es, da ich doch wesentlich schneller vorwärts kam, als wenn ich zu Fuß lief.

Takamatsu ist vor allem durch den Ritsurin Park berühmt, den ich natürlich besuchte. Es gab noch einen Schlosspark, der wirklich sehr schön angelegt war. Takamatsu liegt strategisch für Pilger optimal, um die Tempel 78 bis 80 zu besuchen.

Da ich mir über meine Aufenthaltsdauer bei Hitomi nicht wirklich sicher war, suchte ich schon immer mal die hiesige Jugendherberge mit dem Fahrrad. So wollte ich vermeiden, dass ich bei Notwendigkeit lange mit meinem Rucksack nach dem Hostel suchen muss. Doch diesmal hatte ich keinen Erfolg. Trotz Karte und mehrerer Japaner war die Jugendherberge einfach nicht zu finden. Da beschloss ich, dass ich mir ein preiswertes Hotel suchen muss.

Auf dem Rückweg zu Hitomis Haus kaufte ich noch Blumen.

Die Blumen standen dann etwa zwei Tage in einem Eimer im Bad. Mine erzählte mir, dass sie nicht einmal Blumenvasen hat. Daraus entnehme ich, dass Blumen verschenken in Japan nicht so üblich ist.

Als ich in Hitomis Haus zurückkehrte, waren die Kinder unterwegs und auch Hitomi wollte abends mit ihrem Mann ausgehen. Ich hatte mir sicherheitshalber etwas Dauergebäck zum Abendbrot besorgt. So setzte ich mich in „mein“ Zimmer und studierte wohl zum tausendsten Mal mein Kartenmaterial.


Hast auch du Lust einen Reisebericht zu erstellen? Dann schicke mir eine E-Mail an: urlaub@deine-reiseberichte.de . Eine Anregung zum Erstellen deines Reiseberichtes findest du unter: Vorlage.

Zusammenfassung
Name des Artikels
Der Ritsurinpark Takamatsu
Beschreibung
Mein Reisebericht - Pilgern in Japan. Das Tanzfest Awa Odori und der Ritsurinpark in Takamatsu, Teil XX meiner Pilgerreise auf Shikoku.
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Marketing Dresden