Japan Pilgerreise

Japan – Insel Shikoku – Reisebericht Teil XVI

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Fünf Wochen Shikoku

Seit 37 Tagen bin ich jetzt auf Shikoku und ich habe den westlichsten Punkt der Insel erreicht. Das heißt, der Pilgerweg geht wieder in Richtung Tokushima.

Das Wochenende stand vor der Tür. Damit wurde es schwieriger, Übernachtungen und Busverbindungen zu finden. So beschloss ich, erst einmal in Matsuyama zu bleiben. Ich ging Samstag früh zum Shrine und setzte mich auf einen der Stühle und schaltete den Ventilator ein. Dann machte ich mir wieder Gedanken über mich und über den Sinn meiner Reise.

Wiedersehen mit Judi am Tempel 52

Am Sonntag wollte ich zum Tempel 52. Der Pilgerweg ging quer durch Matsuyama und es waren etwa 10 km. Unterwegs rief mich eine ältere Frau heran und drückte mir eine gekühlte Dose mit Saft in die Hand – wieder freute ich mich über diese Gastfreundschaft.

Am Tempel traf ich Judi, welche ich am Ende der ersten Woche kennengelernt hatte. Sie war allein und sah irgendwie nicht wirklich glücklich aus. War alles gut gegangen mit dem Fahrrad Guide? Was war passiert? Jeder andere Pilger freute sich über eine Begegnung, nicht so Judi. Gerade sie hatte doch meinen Zusammenbruch miterlebt und war sicher überrascht mich hier in Matsuyama wieder zu treffen? Nein – sie war an keinem Gespräch interessiert! Ich beobachtete Judi, sie kam mir kleiner und dünner vor. Auch der Rucksack schien leichter zu sein…

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Tempel 52

Von diesem Tempel wollte ich über einen Berg zum Meer laufen, was nach meiner Karte möglich war. Dieses wurde mir aber von der Tempelpriesterin verboten. Tja was nun? Einen anderen Weg gab es nicht. Also musste ich diesen Plan streichen und stattdessen direkt zum Tempel 53 laufen. Da ich den Weg nicht gleich fand, fragte ich eine Autopilgerin. Diese Frau wollte mich gleich mit dem Auto mitnehmen. Ich hätte nun nein sagen können, jedoch die japanische Höflichkeit gebietet meiner Meinung nach, dieses Angebot anzunehmen. Und angenehm war es auch bei der Hitze in einem temperierten Auto mitzufahren.

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Tempel 53

Zurück im Hostel traf ich Europäer.

Zuerst traf ich Heike. Geboren in Leipzig, zog sie bereits zu DDR-Zeiten nach Venezuela zu ihrem Mann. Vor langer Zeit geschieden, blieb sie dennoch dort. Nun machte sie eben mal kurz allein eine Weltreise, welche durch Japan und auch durch Matsuyama ging.

Weiterhin begegneten mir zwei nichtjapanische, junge Männer im Pilgerhemdchen, mit Pilgerhut und großem Rucksack auf den Schultern im Treppenhaus. Ich stand vor ihnen und erklärte, dass ich auch eine Pilgerin wäre. Wir freuten uns über das Kennenlernen und beschlossen, dass wir uns gleich wieder treffen. Dann wollten wir in Ruhe miteinander sprechen. Rick und Araul aus Holland waren Raucher und so setzten wir uns in die Raucherkabine und erzählten unsere Erlebnisse. Rick und Araul (beide 23 Jahre) sprachen recht gut Deutsch, so dass die Kommunikation relativ unkompliziert war. Notfalls verwendeten wir englische Vokabeln.

Die Beiden hatten auch schon einige Schwierigkeiten während ihrer Pilgerreise erlebt. Rick hatte mit seiner Gesundheit große Probleme. Am Anfang hatte er sich seinen Fuß verstaucht und musste für eine Woche ins Krankenhaus. Auf dem Weg nach Matsuyama hatte er nur Sandalen getragen und hatte sich dabei heftig die Füße verbrannt. Sie waren wie ich einige Strecken gelaufen, aber manche Male auch getrampt. Auch hatte sich Araul in Tokushima in eine Japanerin verliebt und hoffte, sie nun bald wieder zu sehen.

Es ist ein unglaubliches Glücksgefühl für mich, mit anderen in meiner Muttersprache zu sprechen.

Ich traf zwar immer wieder Japaner, welche mich ansprachen. Aber über Wochen nichts anderes erzählen zu können als „Ja ich bin aus Deutschland, ja ich bin allein, ja es ist heiß, ja ich laufe die 88 Tempel Tour, ja der Rucksack ist schwer, ja es ist sehr schwierig…“ ist mental sehr anstrengend. Auch wenn es mir stets den Respekt der Japaner einbrachte.

Sowohl Heike aus Caracas als auch die Holländer fragte ich, was für sie Reisen bzw. Pilgern bedeutet:

Heike – für sie ist Reisen der Verlust der Kontrolle über Dinge, man hat keinen Einfluss mehr, man muss es geschehen lassen.

Für die Jungs – Entbehrung, Relativierung und ins Hier und Jetzt kommen.

Sowohl Heike als auch die Holländer wollten am nächsten Tag wieder abreisen. Ich beschrieb den Jungs, um wie vieles leichter das Pilgern ohne Rucksack wäre. Sie könnten ihre Rucksäcke im Hostel lassen und ohne schweres Gepäck zu den Tempeln laufen, welche sich rund um Matsuyama befinden. Die Beiden nahmen meine Idee an und so konnte ich die Beiden am nächsten Abend wieder im Hostel begrüßen.

Tagsüber „spazierte“ ich durch Matsuyama und besuchte die hiesigen Sehenswürdigkeiten. So kam ich auch in einen Park, wo gerade ein Pärchen gestylt wurde. Als ich später einigen Japanern die Bilder zeigte, meinten sie, dass dies ein Hochzeitspaar sei. Ich hatte vermutet, dass einfach ein paar Fotos von Japanern in traditioneller Kleidung aufgenommen wurden. Da ich natürlich auch ein Foto mit mir haben wollte, gab ich einer der Anwesenden meinen Fotoapparat. Einen Schock bekam ich, als dieser ihr herunterfiel und das Gehäuse auseinanderklaffte! In Japan ist dies jedoch kein Problem, man geht zum Optiker und der repariert die Kamera – natürlich kostenlos. Herzlichen Dank!

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Die Holländer und ich wollen gemeinsam zu den nächsten Tempeln pilgern.

Am Abend im Hostel beschlossen die Holländer und ich, dass wir am nächsten Tag gemeinsam weiter pilgern. Den Plan für die nächsten Tempel hatte ich schon erarbeitet. Zuerst mit dem Zug nach Imabari fahren und dort das schwere Gepäck abladen. Zum Tempel 54 eventuell mit dem Bus fahren. Dann 60 min laufen zum Tempel 55 und nochmal 50 min zum Tempel 56. Zum Tempel 57 war es eine weitere knappe Stunde und dann wieder zurück nach Imabari.

Ich freute mich, dass ich nicht mehr allein laufen musste! Das fühlte sich so gut an. Die Jungs sahen kein Problem darin, dass ich mich ihnen auf der Pilgertour anschließen wollte! Rick und Araul hatten in etwa das gleiche Zeitvolumen wie ich zur Verfügung.

In mein Tagebuch schrieb ich „Morgen geht es weiter. Ich bin schon ganz aufgeregt und habe heute noch mal meine Wäsche gewaschen.“  

Pilgern mit Rick und Aroul

Am nächsten Morgen ging es los. Wir waren alle drei pünktlich fertig. Mit der Straßenbahn fuhren wir zum Zug und kauften die Fahrkarten. In Imabari wollten wir als erstes ein Hotel suchen, wo wir unsere Rucksäcke lassen konnten. Wir fanden auch eins in der Nähe des Bahnhofs und luden das Gepäck ab. Die Jungs waren etwas neidisch, dass ich ein Doppelzimmer mit richtigen Betten bekam. Sie mussten sich mit Futonbetten auf dem Fußboden begnügen.

Japner im Zug
Ich: „Sprecht ihr Englisch?“ Jungs im Zug: „No“

Der Tempel 55 lag direkt in Imabari. Wir änderten die Reihenfolge der Tempelbesuche, dadurch hatten wir kürzere Strecken zu absolvieren. So entschieden wir, den Tempel 55 zuerst zu besuchen und dann weiter zu den Tempeln 54, 56 und 57 zu pilgern.

Am Tempel 57 war mein Tagesplan erfolgreich abgearbeitet. Die Jungs wollten aber, da es noch nicht so sehr spät war, an diesem Tag noch zum Bergtempel 58. Ich war inzwischen auch gut trainiert, so dass es mir nichts ausmachte. Oben angekommen, setzten wir uns kurz auf eine Bank, um zu verschnaufen. Rick stand als Erster wieder auf. Wo er gesessen hatte, hinterließ er einen nassen Abdruck. Oh? Jetzt stand auch Araul auf und hinterließ das gleiche Malheur?

Schüchtern sprach ich sie an. Beide baten mich grinsend doch selbst auch aufzustehen. Und siehe da, auch ich hatte einen nassen Abdruck hinterlassen… Ich war entsetzt, dass man so derartig schwitzen kann.

An diesem Tempel waren wir völlig allein, nicht einmal die Stempelstelle war besetzt.

So suchten wir das ganze Gelände nach einer Menschenseele ab. Erst nach einer Stunde konnten wir einen Tempelangestellten entdecken. Es war für mich schon beeindruckend, welches Vertrauen die Japaner haben. Es war einer der wenigen offenen Tempel. Man hätte sich unbemerkt Reliquien und Souvenirs einstecken können.

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Tempel 58

Zwar war es jetzt inzwischen nach 16 Uhr, dennoch wollten die beiden gern noch die sechs Kilometer zum Tempel 59 laufen. Da die Tempel bereits 17 Uhr schließen und mittlerweile auch noch ein Autopilger aufgetaucht war, schlug ich die Trampvariante vor. Rick wäre einverstanden gewesen, jedoch Araul wollte die Strecke laufen. Nun gut – los ging es im Eiltempo. Und wir schafften es rechtzeitig.

2009 Shikoku Runde gelaufen – Katolin

Bevor wir nach Imabari zurücklaufen wollten, benötigte ich eine Toilette. Mir wurde erklärt, dass dies bei dem Souvenirladen möglich sein sollte. Ich lief los und fragte den Verkäufer. Der Mann war sehr freundlich und wollte mir erst mal ein Eis schenken. Ich erklärte ihm, dass ich nicht allein sei und erst mal ein WC benötigte. Kein Problem – wir sollten anschließend gemeinsam zurückkommen.

Ich erzählte dies den Jungs und jetzt bekamen wir tatsächlich alle drei ein Eis geschenkt. Der Mann berichtete uns, dass er auch Handtücher als Souvenir nach Kundenwünschen bestickt. Für uns wollte er das kostenlos machen. Hatten wir sein Japanisch richtig verstanden? Ja das hatten wir. In diesem Fall war mir auch das Rucksackgewicht egal – so ein Handtuch würde ich noch fortbekommen. Ich wünschte mir die Stickerei „2009 Shikoku Runde gelaufen – Katolin“.

Wir erfuhren von dem Verkäufer, dass ganz in der Nähe eine Bushaltestelle wäre, von wo der Bus nach Imabari fahren würde. Mit unseren Geschenken in der Hand liefen wir zum Bus. Es war echt unglaublich, denn es kam tatsächlich ein Bus… Er hatte zu unserem Glück laut Fahrplan Verspätung, so dass wir ihn noch erreichen konnten.

Zurück im Hotel gingen wir,  natürlich nach einer Dusche, gemeinsam Abendessen. Das hatten wir uns nach den 20 km Fußmarsch verdient.



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Zusammenfassung
Name des Artikels
Europäer auf Shikoku
Beschreibung
Mein Reisebericht - Pilgern in Japan. Fünf Wochen Shikoku - ich traf Europäer, Teil XVI meiner Pilgerreise auf Shikoku.
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Marketing Dresden